20. Torhauskonzert (2009)

Am Samstag, dem 8. August 2009, um 17 Uhr findet das 20. Torhauskonzert im ehemals zum Kloster Eberbach gehörenden Erbacher Hof, Heerstraße 15 in Wiesbaden-Nordenstadt  statt (Einlass ab 16 Uhr).  Das Motto lautet:

Orpheus in der Unterhose

und andere Kuriositäten auf exotischen Instrumenten in fliegendem Wechsel

(Schirmherrschaft: Kulturstadtrat Wolfgang Herber)

Für dieses Jubiläumskonzert konnte ein ganz besonderes, hochprofessionelles Ensemble gewonnen werden: die Pifferari di Santo Spirito, das Antidepressivum aus Heidelberg.

Der jüngste Mitspieler ist 9, der älteste 76: Kirchenmusikdirektor Peter Schumann, der fast 30 Jahre Kantor der Heiliggeistkirche in Heidelberg war – daher auch der Name des Ensembles; er wirkte übrigens von 1960-65 als Kantor an der Lutherkirche Wiesbaden, wo Rainer Noll sein Orgelschüler war. Sie dürfen sich freuen auf musikalisches Amüsement vom Feinsten!

Die Torhauskonzerte gründete Rainer Noll, selbst Kantor an St. Martin Kelsterbach, vor 20 Jahren als völlige Privatinitiative, ohne jede finanzielle Rückendeckung von irgendeiner Seite, aber auch ohne auf Gewinn zu zielen. Alle Konzerte haben sich finanziell selbst getragen, auch dank des ehrenamtlichen Helferteams. Im Vordergrund steht einfach die Freude, gute Musik in einer alles anderen als steifen Konzertatmosphäre an Menschen heranzubringen und das schöne Anwesen für Begegnung und Kommunikation zu öffnen – so auch bei den musikalischen Weinproben, die hier seit 9 Jahren stattfinden.

Besondere Höhepunkte in den 20 Jahren waren das 5. Konzert 1994 mit dem russischen Rundfunk- und Fernsehchor aus St. Petersburg, der heute noch in der Region als „Stimmen der Newa“ konzertiert (das Konzert musste am nächsten Tag wegen Überfüllung wiederholt werden!), und das 10. Konzert 1999 mit Bachs Kaffee- und Bauernkantate unter Leitung des Hausherrn und Elmar Gunsch als Moderator. Die Programme reichten von jiddischer Klezmermusik bis Wiener Opern- und Operettenmelodien, von Kammermusik über Klavierduos (mit Rainer Noll auch solistisch am Flügel), großen und kleinen Blech- und Holzbläserensembles bis Ouvertüren von Telemann und Bach.

Als Rahmen dient das Stammhaus der mütterlichen Linie der Vorfahren Rainer Nolls: der bis 1556 zum Kloster Eberbach im Rheingau gehörende Erbacher Hof mit entsprechendem Ambiente, den Noll ebenfalls in Eigeninitiative restauriert hat. Das als Bühne fungierende Torhaus wurde 1849 von Nolls Ururgroßvater Johann Georg Stemler erbaut, also vor genau 160 Jahren (über dem Toreingang findet man Name und Jahreszahl). Doppelter Grund zum Feiern: auch das Torhaus hat also Jubiläum!

Anschließend werden wie immer Getränke und Gegrilltes zum Selbstkostenpreis angeboten.

Programm-THK-2009

Teil einer Erfolgsgeschichte

Wiesbadener Tagblatt, 05.08.2010 – NORDENSTADT

Sein Ururgroßvater erbaute 1849 das Torhaus, in dem Rainer Noll seit 21 Jahren seine Konzertreihe veranstaltet. Bei der Auswahl der Musiker zählen für den Organisten Qualität, Vielfalt und finanzielle Machbarkeit. Archivfoto: Heymann

Von Thomas Karschny

TORHAUSKONZERT Nordenstädter Rainer Noll organisiert Musikabend zum 21. Mal

Niveauvolle Musik unter freiem Himmel in historischem Ambiente – wer danach sucht, ist auf dem 21. Torhauskonzert (THK) im Erbacher Hof in Nordenstadt genau richtig. An diesem Samstagabend ist es wieder soweit.

Musikalischer Gaststar in diesem Jahr ist der Frankfurter Gitarren-Solist Tilman Steitz. Unter dem Motto „Von Bach bis Tango“ wird er Werke aus den entsprechenden musikalischen Epochen von J. S. Bach, Fernando Sor, Federico Moreno-Torroba, Antonio Lauro, Heitor Villa-Lobos und Astor Piazzolla spielen.

Für Hausherr und Organisator Rainer Noll, der das Konzert gemeinsam mit dem Wiesbadener Kulturamt und dem Vereinsring Nordenstadt veranstaltet, ist es eine kleine Premiere. „Sologitarre hatten wir noch nicht im Programm“, erzählt der Organist. 1990 hat der heute 61-Jährige die Torhauskonzertreihe – benannt nach dem 1849 von seinem Urgroßvater erbauten Torhaus – aus der Taufe gehoben. Die Idee dahinter: „Den schönen Erbacher Hof, der mir als Erbe zufiel, nicht nur zur eigenen Freude zu nutzen, sondern von dieser Freude etwas der Allgemeinheit zurückzugeben“, erklärt Noll.

1984 hatte er den einst zum Kloster Eberbach gehörenden Hof geerbt und in der Folgezeit, meist in Eigeninitiative, restauriert. Die wenige Jahre später eingeführte Konzertreihe erwies sich von Anfang an als eine wahre Erfolgsgeschichte. „Die Konzerte waren von Anfang an fast immer ausverkauft“, berichtet Noll.

Unzählige Gäste kommen bereits seit Jahren, teilweise aus bis zu hundert Kilometer entfernten Ortschaften. An einige Höhepunkte kann sich Noll noch gut erinnern. „Da war das fünfte THK 1994 mit dem Rundfunk- und Fernsehchor aus St. Petersburg, für den ich damals eine dreiwöchige Tournee durch Deutschland organisierte. Der Hof war mit fast 500 Gästen restlos überfüllt und das Konzert musste am nächsten Tag für 300 Besucher wiederholt werden“, erinnert sich der Hausherr.

Ebenso ist dem Nordenstädter das zehnte Konzert vor elf Jahren mit Bachs Kaffee- und Bauernkantate unter der Moderation von Elmar Gunsch in guter Erinnerung geblieben.

Sein Erfolgsrezept ist an sich schlicht: Die Augen offen halten und immer wieder Musiker von der Idee seiner Konzerte ohne finanzielle Rückendeckung – schließlich weiß man im Voraus nie, wie viele Karten letztendlich verkauft werden – begeistern.

Gäste schätzen Konzerte mit Event-Charakter

Qualität, Vielfalt und die finanzielle Machbarkeit stehen bei der Auswahl der Künstler im Vordergrund. „Die Konzerte müssen sich ausschließlich durch die Einnahmen tragen, verdient wird da nichts“, erzählt Noll. Im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung wird Stadtrat Manfred Laubmeyer den 61-Jährigen mit der Bürgermedaille in Silber auszeichnen. Mit der Ehrenbezeichnung der Stadt werden nicht nur Nolls Einsatz für die Torhauskonzerte, sondern auch weitere Verdienste des Nordenstädters um das kulturelle Leben in der Region, darunter die Organisation zahlreicher Kulturreisen, Orgelfahrten und weiterer Konzertreihen, gewürdigt. Das alles schafft man nicht allein.

Veranstalter erhält Bürgermedaille in Silber

Insbesondere die Torhauskonzerte – hier werden nach dem Konzert Getränkte und Gegrilltes zum Selbstkostenpreis gereicht – wären ohne ein Heer an ehrenamtlichen Helfern nicht zu stemmen. „Der Silberglanz der Medaille, die mir an diesem Tag auch für 21 Jahre Torhaus verliehen werden soll, strahlt auf sie alle“, dankt Noll den unzähligen Helfern für ihr Engagement.

Den Gästen gefällt es: „Geschätzt wird gute und interessante Live-Musik in alles andere als steifer Konzertatmosphäre. Dazu kommt die anschließende Kommunikationsmöglichkeit bei Essen und Trinken, böhmischem Fassbier und von mir selbst ausgesuchten Weinen aus Deutschland, Frankreich und Griechenland bei open end“, erklärt Noll den besonderen Reiz seiner Veranstaltung.

Offenes Ende? „Die Nachbarn sind nicht alle begeistert, besonders wenn es etwas später wird“, gesteht der Organisator: „Aber ich bemühe mich nach Kräften um Verständnis und erwarte dies auch einmal im Jahr“. Muss also nur noch das Wetter stimmen. „Bisher hatten wir 20 mal geradezu unverschämtes Glück und hoffen auf das 21. Mal“, so Noll.

Meditative Karfreitagsmusik – vor 34 Jahren von Rainer Noll begründet

Erschienen in „Kelsterbach Aktuell“, 12.4.2013

Rainer Noll, der Kantor der St. Martinsgemeinde in Kelsterbach, spielte 1979 seine erste Karfreitagsmusik an der Orgel der St. Martinskirche. Später nahm er auch gelegentlich Gesangssolisten und weitere Instrumente hinzu.

In diesem Jahr bestritt er die „Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu“ wieder allein an der wunderbaren Förster & Nicolaus-Orgel, ergänzt durch die Lesungen der Passionsgeschichte durch Pfarrvikarin Inga von Gehren. Werke von Johann Seb. Bach umrahmten die feierliche Stunde. Ganz dem Tag angemessen, begann Noll mit dem in „Grautönen“ gehaltenen Präludium und Fughette d-moll, Bachwerkeverzeichnis (BWV) 899. Es folgten das ursprünglich für Laute komponierte Präludium c-moll BWV 999 und die Fughette c-moll BWV 961, die sich beide, wie das vorherige Werk, unter Bachs Klavierwerken finden, aber gerade auf der Orgel einen besonderen Reiz entfalten.

Von dem zeitgenössischen Komponisten Lothar Graap (geb. 1933) erklang die Choralpartita über „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“, die weniger durch ihre gar nicht moderne Tonsprache als vielmehr durch Nolls subtile Klangfarbenwahl und feinsinnige Interpretation überzeugte.

Als kompositorische Schwergewichte müssen die drei Brahms-Werke gelten: die beiden Choralvorspiele „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“ und „O Haupt voll Blut und Wunden“, Op. posth. 122 Nr. 2 und 9, sowie vor allem die kontrapunktisch dichte und komplexe Fuge as-moll, die allein schon durch ihre entlegene Tonart mit sieben b als Vorzeichen höchste Anforderungen an Konzentration, Intensität, Gestaltungskraft und Technik des Interpreten stellt. Hier muss man außerdem das Zusammenspiel von Orgel und Registrierkunst Nolls bewundern, das immer wieder neue, überzeugend romantische Klangbilder in glutvoller Darstellung hervorzauberte.

Nicht weniger beeindruckte Nolls ausgereifte Interpretationskunst in Bachs abschließender Choralfantasie BWV 665 über den Abendmahlschoral „Jesus Christus, unser Heiland“ in prächtigem barockem Plenumklang, deren triumphaler Schluss den wieder aus dem ganzen Umland angereisten Besuchern einen Ausblick auf Ostern eröffnete.

Eckard B. Gandela, Frankfurt am Main

Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu (2013)

Wie schon in den vergangenen Jahren, so lädt die St. Martinsgemeinde auch in diesem Jahr wieder zu einer

Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu

am Karfreitag, dem 29. März 2013, um 15 Uhr

in der St. Martinskirche zu Kelsterbach.

 

Diese Passionsmusiken an Karfreitag hat Kantor Rainer Noll vor 34 Jahren begründet.

Diesmal spielt er Orgelwerke zur Passionszeit aus drei Epochen (Barock, Romantik und Moderne) von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms und Lothar Graap.

Die Lesungen hält Pfarrvikarin Inga von Gehren.

 

Diese Musikalische Meditation zu Jesu Leiden und Sterben bietet eine intime Alternative zu den großen Passionsaufführungen.

Der Eintritt ist frei, am Ausgang  wird um eine Spende für die Kirchenmusik gebeten


Programm

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Präludium und Fughette d-moll BWV 899

GEBET

Präludium und Fughette c-moll BWV 999 + 961

LESUNG

Lothar Graap (* 1933)

Choralpartita „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“

(Thema – Variation 1+2+3 – Fantasie)

LESUNG

Choralpartita „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“

(Interludium – Caprice – Sarabande – Duo – Choral)

LESUNG

Johannes Brahms (1833 – 1897)

„Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“  Opus posthumum 122, 2

LESUNG

„O Haupt voll Blut und Wunden“ Opus posthumum 122, 9

LESUNG

Fuge as-moll

VATERUNSER UND SEGEN

Johann Sebastian Bach

Choralfantasie „Jesus Christus, unser Heiland“ BWV 665

STILLE

Lesungen: Pfarrvikarin Inga von Gehren

Wir bitten um eine Kollekte zur Pflege der Kirchenmusik

 

 

Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 in Eisenach geboren. 1703-07 Organist in Arnstadt. 1707-08 Organist an St. Blasius in Mühlhausen. 1708-17 Hoforganist, Cembalist und Violinist (seit 1714 auch Hofkonzertmeister) in Weimar. 1717-23 Hofkapellmeister in Köthen. Ab 1723 Kantor der Thomaskirche und „Kirchenmusikdirektor“ der Stadt Leipzig, wo er am 28. Juli 1750 starb. – Eine in mehreren Teilen erschienene Sammlung seiner Werke nennt Bach „Clavierübung“. Das Wort meint weder „Klavier“ noch „Übung“ (Etüde) im heutigen Sinn. Abgeleitet vom lateinischen clavis = Taste bezeichnet Bach mit „Clavier“ alle Instrumente, die Tasten haben und deren Namen sich direkt von clavis ableitet, also neben der Orgel auch Clavichord, Clavicembalo bzw. Clavizimbel und Klavier. Die Zuordnung der Werke war z. T. offen. So stehen die beiden Präludien und Fughetten d-moll und c-moll (Fughette = kleine Fuge) unter den Klavierwerken (aber nicht in der „Clavierübung“), entfalten aber auf der Orgel einen besonderen Reiz. Das Thema der d-moll-Fughette ist sicher eines der schlichtesten, die Bach je gewählt hat: aus solch bescheidener Keimzelle lässt er eine wundervolle Miniaturarbeit erblühen. Das c-moll-Präludium trägt den Zusatz „pour la lute“ (für die Laute) und eignet sich durch seine schmerzvolle Monotonie und den ständig „stürzenden“ Bass besonders für Karfreitag. Es endet in G-dur, also auf der Dominante, wie mit einem Fragezeichen – als „Antwort“ hänge ich eine alleinstehende zweistimmige Fughette in c-moll an. – Die Choralfantasie „Jesus Christus, unser Heiland“ steht in der Sammlung der „Achtzehn Leipziger Choräle“, die Bach am Ende seines Lebens angelegt hat. Das Besondere ist hier, dass Bach den Text Zeile für Zeile musikalisch ausdeutet, wobei die Choralmelodie durch alle Stimmen wandert. In der 2. Zeile wird der „Gotteszorn“ durch einen punktierten „Geißelrhythmus“ dargestellt, wie er auch z.B. im Rezitativ „Erbarm es Gott“ und der Arie „Können Tränen meiner Wangen“ in der Geißelszene der Matthäuspassion auftaucht. Die 3. Zeile ist ganz erfüllt von „bitterem Leiden“ durch gegeneinander laufende chromatische Gänge („Passus duriusculus“ = harter Gang) bei grausiger Harmonik. Zeile 4 reißt uns dann förmlich durch ein kurzes, kräftiges Aufwärtsmotiv aus der „Höllenpein“, während die anderen Stimmen uns immer wieder nach unten ziehen wollen. Den triumphalen Schluss erweitert Bach ganz bewusst zur Achtstimmigkeit: „Acht“ ist das Symbol der Taufe, der „neuen Schöpfung“ durch die Auferstehung, also ein versteckter Verweis auf Ostern (Taufsteine und Taufkapellen wurden oft achteckig gestaltet!). Bei Bach muss immer zum „gefühlten“ das „wissende“ Erleben hinzukommen, um die Tiefe seiner Aussage zu erfassen.

Lothar Graap wurde 1933 in Schweidnitz/Schlesien geboren. 1946 Unterricht am Konservatorium Görlitz. 1950-54 Studium an der Kirchenmusikschule Görlitz bei Eberhard Wenzel (Theorie und Komposition) und Horst Schneider (Orgel) mit Abschluss B-Prüfung. 1954 Kirchenmusiker in Niemegk/Kreis Belzig. 1957 Kantor an der Klosterkirche Cottbus. 1975 A-Prüfung. 1981 Kirchenmusikdirektor. 1991 Dozent für Orgelspiel am Cottbuser Konservatorium. Seit 1998 wohnhaft in Schöneiche bei Berlin. – Die zehnteilige Partita „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“ spielt nach dem Choral in acht vielfältigen Variationen mit dem Themenmaterial des Liedes und schließt wieder mit dem schlichten Choral ab.

Johannes Brahms wurde 1833 im Hamburger „Gängeviertel“ als Sohn eines armen Berufsmusikers geboren. Mit sieben Jahren Klavierunterricht, mit zehn erstes öffentliches Auftreten. Als Zwanzigjähriger begleitet er den ungarischen Geiger Eduard Reményi auf einer Konzertreise und lernt den Geiger Joseph Joachim, Franz Liszt und Clara und Robert Schumann kennen, der ihn in seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“ der Musikwelt bekannt macht. 1857 Chorleiter in Detmold, 1859 Leiter eines Frauenchores in Hamburg. 1862 erste Wienreise. 1863/64 Chorleiter der Wiener Singakademie, dann freischaffend tätig, ohne Not zu leiden. 1872-75 Leiter des Wiener Singvereins und Direktor der „Gesellschaft der Musikfreunde“. 1878 Ehrendoktorwürde der Universität Breslau. 1886 Ehrenpräsident des Wiener Tonkünstlervereins. 1887 Ritter des Ordens „Pour le mérite“ für Wissenschaften und Künste. 1889 Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Hamburg. 1897 Tod in Wien. Er schrieb zahlreiche Werke für alle Musikgattungen außer der Oper, darunter aber nur wenige Orgelwerke. – Die posthum 1902 veröffentlichten „Elf Choralvorspiele op. 122″ für Orgel sind seine letzten Kompositionen überhaupt. Sie haben Bachs Choralvorspiele des „Orgelbüchleins“ zum Vorbild, atmen aber harmonisch ganz den Geist der Romantik. Ihnen entstammen die beiden Choralbearbeitungen „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“  und  „O Haupt voll Blut und Wunden“. – Aus den Kontrapunktstudien der Jugendzeit ging die 1856 entstandene Fuge as-moll hervor, die 1864 als Beilage der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ und 1884 als Einzelausgabe erschien. Dass Brahms sie 1890 bei der strengen, selbstkritischen Revision nicht wie manch andere seiner Werke vernichtete, zeugt von seiner Wertschätzung dieser Komposition. Trotz aller „barocker“ kontrapunktischer Kunstfertigkeit (Spiegelung, Verkleinerung und Vergrößerung des unsäglich klagenden Themas) ist auch sie in ihrem nur an wenigen Stellen aufgehellten düsteren Charakter und der Wahl der entlegenen Tonart as-moll (mit sieben b als Vorzeichen – sie kommt im regulären Quintenzirkel gar nicht mehr vor!) ganz von romantischem Geist erfüllt. Eine traurigere Musik lässt sich kaum denken. Sie wirkt wie eine in Töne gesetzte Pietà. Kurz vor dem in hoffnungsloser Resignation verharrenden Schluss bricht die Musik ab, nachdem das Fugenthema im Sopran in durchbrochener Technik über der Themenkopfvergrößerung im Bass zitiert worden war: hier meint man Tränentropfen der Mutter Jesu, die ihren toten Sohn unter dem Kreuz beweint, zu Boden fallen zu hören.

Rainer Noll