Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu (2013)

Wie schon in den vergangenen Jahren, so lädt die St. Martinsgemeinde auch in diesem Jahr wieder zu einer

Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu

am Karfreitag, dem 29. März 2013, um 15 Uhr

in der St. Martinskirche zu Kelsterbach.

 

Diese Passionsmusiken an Karfreitag hat Kantor Rainer Noll vor 34 Jahren begründet.

Diesmal spielt er Orgelwerke zur Passionszeit aus drei Epochen (Barock, Romantik und Moderne) von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms und Lothar Graap.

Die Lesungen hält Pfarrvikarin Inga von Gehren.

 

Diese Musikalische Meditation zu Jesu Leiden und Sterben bietet eine intime Alternative zu den großen Passionsaufführungen.

Der Eintritt ist frei, am Ausgang  wird um eine Spende für die Kirchenmusik gebeten


Programm

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Präludium und Fughette d-moll BWV 899

GEBET

Präludium und Fughette c-moll BWV 999 + 961

LESUNG

Lothar Graap (* 1933)

Choralpartita „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“

(Thema – Variation 1+2+3 – Fantasie)

LESUNG

Choralpartita „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“

(Interludium – Caprice – Sarabande – Duo – Choral)

LESUNG

Johannes Brahms (1833 – 1897)

„Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“  Opus posthumum 122, 2

LESUNG

„O Haupt voll Blut und Wunden“ Opus posthumum 122, 9

LESUNG

Fuge as-moll

VATERUNSER UND SEGEN

Johann Sebastian Bach

Choralfantasie „Jesus Christus, unser Heiland“ BWV 665

STILLE

Lesungen: Pfarrvikarin Inga von Gehren

Wir bitten um eine Kollekte zur Pflege der Kirchenmusik

 

 

Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 in Eisenach geboren. 1703-07 Organist in Arnstadt. 1707-08 Organist an St. Blasius in Mühlhausen. 1708-17 Hoforganist, Cembalist und Violinist (seit 1714 auch Hofkonzertmeister) in Weimar. 1717-23 Hofkapellmeister in Köthen. Ab 1723 Kantor der Thomaskirche und „Kirchenmusikdirektor“ der Stadt Leipzig, wo er am 28. Juli 1750 starb. – Eine in mehreren Teilen erschienene Sammlung seiner Werke nennt Bach „Clavierübung“. Das Wort meint weder „Klavier“ noch „Übung“ (Etüde) im heutigen Sinn. Abgeleitet vom lateinischen clavis = Taste bezeichnet Bach mit „Clavier“ alle Instrumente, die Tasten haben und deren Namen sich direkt von clavis ableitet, also neben der Orgel auch Clavichord, Clavicembalo bzw. Clavizimbel und Klavier. Die Zuordnung der Werke war z. T. offen. So stehen die beiden Präludien und Fughetten d-moll und c-moll (Fughette = kleine Fuge) unter den Klavierwerken (aber nicht in der „Clavierübung“), entfalten aber auf der Orgel einen besonderen Reiz. Das Thema der d-moll-Fughette ist sicher eines der schlichtesten, die Bach je gewählt hat: aus solch bescheidener Keimzelle lässt er eine wundervolle Miniaturarbeit erblühen. Das c-moll-Präludium trägt den Zusatz „pour la lute“ (für die Laute) und eignet sich durch seine schmerzvolle Monotonie und den ständig „stürzenden“ Bass besonders für Karfreitag. Es endet in G-dur, also auf der Dominante, wie mit einem Fragezeichen – als „Antwort“ hänge ich eine alleinstehende zweistimmige Fughette in c-moll an. – Die Choralfantasie „Jesus Christus, unser Heiland“ steht in der Sammlung der „Achtzehn Leipziger Choräle“, die Bach am Ende seines Lebens angelegt hat. Das Besondere ist hier, dass Bach den Text Zeile für Zeile musikalisch ausdeutet, wobei die Choralmelodie durch alle Stimmen wandert. In der 2. Zeile wird der „Gotteszorn“ durch einen punktierten „Geißelrhythmus“ dargestellt, wie er auch z.B. im Rezitativ „Erbarm es Gott“ und der Arie „Können Tränen meiner Wangen“ in der Geißelszene der Matthäuspassion auftaucht. Die 3. Zeile ist ganz erfüllt von „bitterem Leiden“ durch gegeneinander laufende chromatische Gänge („Passus duriusculus“ = harter Gang) bei grausiger Harmonik. Zeile 4 reißt uns dann förmlich durch ein kurzes, kräftiges Aufwärtsmotiv aus der „Höllenpein“, während die anderen Stimmen uns immer wieder nach unten ziehen wollen. Den triumphalen Schluss erweitert Bach ganz bewusst zur Achtstimmigkeit: „Acht“ ist das Symbol der Taufe, der „neuen Schöpfung“ durch die Auferstehung, also ein versteckter Verweis auf Ostern (Taufsteine und Taufkapellen wurden oft achteckig gestaltet!). Bei Bach muss immer zum „gefühlten“ das „wissende“ Erleben hinzukommen, um die Tiefe seiner Aussage zu erfassen.

Lothar Graap wurde 1933 in Schweidnitz/Schlesien geboren. 1946 Unterricht am Konservatorium Görlitz. 1950-54 Studium an der Kirchenmusikschule Görlitz bei Eberhard Wenzel (Theorie und Komposition) und Horst Schneider (Orgel) mit Abschluss B-Prüfung. 1954 Kirchenmusiker in Niemegk/Kreis Belzig. 1957 Kantor an der Klosterkirche Cottbus. 1975 A-Prüfung. 1981 Kirchenmusikdirektor. 1991 Dozent für Orgelspiel am Cottbuser Konservatorium. Seit 1998 wohnhaft in Schöneiche bei Berlin. – Die zehnteilige Partita „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“ spielt nach dem Choral in acht vielfältigen Variationen mit dem Themenmaterial des Liedes und schließt wieder mit dem schlichten Choral ab.

Johannes Brahms wurde 1833 im Hamburger „Gängeviertel“ als Sohn eines armen Berufsmusikers geboren. Mit sieben Jahren Klavierunterricht, mit zehn erstes öffentliches Auftreten. Als Zwanzigjähriger begleitet er den ungarischen Geiger Eduard Reményi auf einer Konzertreise und lernt den Geiger Joseph Joachim, Franz Liszt und Clara und Robert Schumann kennen, der ihn in seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“ der Musikwelt bekannt macht. 1857 Chorleiter in Detmold, 1859 Leiter eines Frauenchores in Hamburg. 1862 erste Wienreise. 1863/64 Chorleiter der Wiener Singakademie, dann freischaffend tätig, ohne Not zu leiden. 1872-75 Leiter des Wiener Singvereins und Direktor der „Gesellschaft der Musikfreunde“. 1878 Ehrendoktorwürde der Universität Breslau. 1886 Ehrenpräsident des Wiener Tonkünstlervereins. 1887 Ritter des Ordens „Pour le mérite“ für Wissenschaften und Künste. 1889 Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Hamburg. 1897 Tod in Wien. Er schrieb zahlreiche Werke für alle Musikgattungen außer der Oper, darunter aber nur wenige Orgelwerke. – Die posthum 1902 veröffentlichten „Elf Choralvorspiele op. 122″ für Orgel sind seine letzten Kompositionen überhaupt. Sie haben Bachs Choralvorspiele des „Orgelbüchleins“ zum Vorbild, atmen aber harmonisch ganz den Geist der Romantik. Ihnen entstammen die beiden Choralbearbeitungen „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?“  und  „O Haupt voll Blut und Wunden“. – Aus den Kontrapunktstudien der Jugendzeit ging die 1856 entstandene Fuge as-moll hervor, die 1864 als Beilage der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ und 1884 als Einzelausgabe erschien. Dass Brahms sie 1890 bei der strengen, selbstkritischen Revision nicht wie manch andere seiner Werke vernichtete, zeugt von seiner Wertschätzung dieser Komposition. Trotz aller „barocker“ kontrapunktischer Kunstfertigkeit (Spiegelung, Verkleinerung und Vergrößerung des unsäglich klagenden Themas) ist auch sie in ihrem nur an wenigen Stellen aufgehellten düsteren Charakter und der Wahl der entlegenen Tonart as-moll (mit sieben b als Vorzeichen – sie kommt im regulären Quintenzirkel gar nicht mehr vor!) ganz von romantischem Geist erfüllt. Eine traurigere Musik lässt sich kaum denken. Sie wirkt wie eine in Töne gesetzte Pietà. Kurz vor dem in hoffnungsloser Resignation verharrenden Schluss bricht die Musik ab, nachdem das Fugenthema im Sopran in durchbrochener Technik über der Themenkopfvergrößerung im Bass zitiert worden war: hier meint man Tränentropfen der Mutter Jesu, die ihren toten Sohn unter dem Kreuz beweint, zu Boden fallen zu hören.

Rainer Noll

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