Die Steinmeyer-Orgel der Evangelischen Kirche in Wiesbaden-Bierstadt (1973)

inspiriert durch Albert Schweitzer

Mendelssohn: Fuga C-dur – Finale der 2. Orgelsonate op. 65,2 (live aus dem Konzert mit Rainer Noll am 8.9.2013 an der Steinmeyer-Orgel in Wiesbaden-Bierstadt)

(erschienen in „Ars Organi“, 62. Jhg., Heft 3, September 2014)

Nach einem Orgelkonzert, das ich 1972 in der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai u. a. mit Werken von Widor und Saint-Saëns gespielt hatte, kam der Hamburger Kirchenmusikdirektor Prof. Dr. Otto Brodde (1910 – 1982) mit den Worten auf mich zu: „Diese beiden Komponisten hätten Sie uns ersparen können.“ Das war typisch für diese Zeit, die immer noch stark geprägt war von der „Orgelbewegung“, und demgemäß baute man auch noch die Orgeln (von ganz großen Instrumenten vielleicht abgesehen, wie etwa in St Michaelis in Hamburg). In einem Artikel von Prof. Dr. Martin Weyer (geb. 1938) mit dem bereits programmatischen Titel „Von der Zimbel zur Vox coelestis?“ (Ars Organi, Heft 46, 1975, S. 2087 ff.) kündigte sich zwar schon eine Wende an. Er beginnt mit den Worten: „Wer noch vor 10 Jahren zu behaupten gewagt hätte, dass Orgelwerke von Komponisten wie z. B. Hesse, Ritter, Rheinberger ein ,Comeback‘ erleben würden, wäre wohl kaum ernstgenommen worden: Zwischen Bach und Pepping gab es offiziell allenfalls noch Krebs, Mozart, Mendelssohn, Reger – Ausnahmen, die eine damals allgemeingültige Regel bestätigten, dass nämlich in der Zeit von 1750 bis 1930 wenig Belangvolles für die Orgel komponiert worden sei.“ Romantik wurde wieder zunehmend gespielt, aber nur von wenigen. Allein, es fehlten meist die adäquaten Orgeln. Denn die „Orgelbewegten“ ließen als „Orgel“ nur die „Barock-Orgel“ oder was sie dafür hielten gelten. Was dem nicht entsprach, wurde umgebaut oder durch einen Neubau ersetzt: herrliche romantische Instrumente fielen dieser „Barock-Doktrin“ zum Opfer. Wenige überlebten diesen Neobarockwahn, wie zuvor umgekehrt wenige Barock-Orgeln, weil unmodern, in der Romantik unbehelligt blieben. Dies ist bei allen Verdiensten die „Verschuldung“ einer jeden ideologisch geprägten „Bewegung“ – so Prof. Dr. Hans Heinrich Eggebrecht (1919 – 1999) bereits in „Die Orgelbewegung“, Eröffnungsvortrag zur Internationalen Orgeltagung in Freiburg 1967.

Hier erhob gerade jener Albert Schweitzer (1875 – 1965), der von der Orgelbewegung fälschlich als Galionsfigur benutzt wurde, bereits 1927 (!) warnend seine Stimme: „Auch der Verlust von Instrumenten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts – genannt seien nur die Namen Ladegast und Walcker – wiegt schwer. Die Gefahr liegt nahe, dass ihrer über der Verherrlichung der Meister des 18. Jahrhunderts, deren würdige und verständnisvolle Erben sie waren, nicht genug gedacht werde. (…) Sicherlich müssen wir die noch vorhandenen alten Orgeln des 17. und 18. Jahrhunderts als historische Kleinodien erhalten und möglichst sachgemäß und pietätvoll restaurieren (…). Sicherlich müssen wir die Orgeln aus jener Zeit noch viel besser kennenlernen (…). Unser Ideal der Orgel ist aber auch durch die Errungenschaften der großen Orgelbaumeister der sieben ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bestimmt. Weiter noch hat es den Forderungen Rechnung zu tragen, die die bedeutenden Orgelkomponisten – die César Franck, die Widor, die Reger und die anderen – in ihren Schöpfungen an die Orgel stellen.“ („Deutsche und französische Orgelbaukunst und Orgelkunst“ mit Nachwort über den gegenwärtigen Stand der Frage des Orgelbaus, Leipzig 1927, S. 56 ff.)

So konnte der Schweizer Dr. Bernhard Billeter (geb. 1936) 1977 schreiben: „Ein guter Teil der Übertreibungen der sogenannten Orgelbewegung hätte bei einer Evolution nach den Vorstellungen Schweitzers vermieden werden können. Der Verlust der Orgelromantik und der meisten klingenden Zeugnisse aus jener Zeit ist uns spät, dafür um so schmerzlicher bewusst geworden, und so mag es wertvoll sein, heute die Ansichten Schweitzers wieder zur Kenntnis zu nehmen.“ („Albert Schweitzer und sein Orgelbauer“ in „Acta Organologica“ Bd. 11, S. 184)

Dies hatte ich schon lange zuvor getan, auch in enger Zusammenarbeit mit dem Zürcher Musikwissenschaftler und persönlichen Freund Schweitzers, Prof. Dr. Erwin R. Jacobi (1909 – 1979), mit dem auch Billeter in Zürich zusammenarbeitete. Diese Erkenntnisse konnte ich nun praktisch anwenden, als etwas ganz Einmaliges geschah: ca. 1971 trug man mir, einem 22jährigen Kirchenmusikstudenten in Hamburg, im Rahmen der bevorstehenden Renovierung der Ev. Kirche in Wiesbaden-Bierstadt die Planung des Orgelneubaues an, die sich über das ganze Jahr 1972 hinzog. Dieses kleine Gotteshaus ist die älteste Kirche Wiesbadens, ihre Ursprünge reichen in die Karolingerzeit zurück.  Der damalige dortige Pfarrer, Max Beck (1934 – 2012), war Feuer und Flamme für das Projekt. KMD Friedrich Bihn (1908 – 1984), Kantor an St. Michaelis und Orgelsachverständiger der Hamburgischen Landeskirche, der mich dort zum Nachfolger wünschte, unterstützte mich mit Rat und Tat – sozusagen als Katalysator und „Geburtshelfer“ meiner eigenen Vorstellungen. Der Auftrag wurde an die Orgelbaufirma Steinmeyer in Oettingen vergeben, die schon 1962 die große Orgel im Hamburger „Michel“ nach Plänen von Bihn, der auch gelernter Orgelbauer war, gebaut hatte.

Zunächst wurde durch den Abbruch einer zweiten Empore an der Kirchenrückseite, auf der die wirklich unbedeutende Vorgängerorgel unter die Decke gequetscht stand, Platz geschaffen für die optimale räumliche Entfaltung der zu bauenden Orgel. Die äußere Gestaltung lag in Händen des Wiesbadener Architekten Rainer Schell (1917 – 2000), der in jedem Fall den Werkaufbau berücksichtigen musste, ansonsten aber seinen Stil einbrachte.

Die Größe der zu bauenden Orgel war sowohl vom Raumvolumen der Kirche wie auch von den Finanzen her begrenzt, was die Aufgabe besonders schwierig, aber auch reizvoll machte. Es sollte keine Neobarock-Orgel werden, sondern ein Instrument mit Schwellwerk und inspiriert von den „Ansichten Schweitzers“, aber doch selbständig konzipiert (schon davor schreckten damals noch manche Orgelbaufirmen zurück).

Deshalb hier kurz diejenigen Dispositionsprinzipen Schweitzers, die wesentlich wurden.

Die Grundregister sind für ihn das Fundament, auf dem die ganze Schönheit einer Orgel beruht, wobei er besonderen Wert legt auf „Varietät innerhalb der Grundlabialen“. Und hier will er auch streichende Stimmen haben, die lange als „romantisch“ verpönt waren: „Die Ablehnung streichender Stimmen (Salicional 8′, Gambe 8′, Cello 8′, Violonbass 16′) habe ich nicht begreifen können und daher nie mitgemacht. Bach hat sie nie abgelehnt. Er hatte Violonbass 16′ in den Pedalen von Orgeln, die er spielte. Beim Umbau der Mühlhauser Kirche [gemeint ist natürlich die Orgel] fordert er die Einsetzung einer Gambe 8′, die er mit Salicet 4′ verbinden will. (…) Aber diese Stimmen dürfen nicht schneidend und scharf sein wie so um 1900 herum, sondern milde und edel.“ (Aus einem Brief Schweitzers an Rudolf Quoika vom 2.8.1954, zitiert nach R. Quoika, „Ein Orgelkolleg mit Albert Schweitzer“, Freising 1970, S. 29)

Dies ist natürlich bei nur 21 klingenden Stimmen nicht leicht umzusetzen und erfordert Kompromisse. Dennoch gibt der Bourdon 16′, auf den ich wegen der „Gravität“, die schon Bach schätzte, auf keinen Fall verzichten wollte, zusammen mit je zwei 8′- und je einem 4′-Register pro Manual einen guten Grund (vor allem, wenn alle diese Grundstimmen gekoppelt sind: 16’+8’+8’+8’+8’+4’+4′). Dabei war die streichende Gamba 8′ im Schwellwerk besonders wichtig, ebenso die Koppelflöte 4′, die ihrerseits Fülle gibt. Es schmerzte, dass wir uns keine Flöte 4′ im Hauptwerk leisten konnten. So wurde Octave 4′ etwas „flötig“ gehalten, und ich disponierte dort eine konische Spitzflöte 8′, die etwas Strich hat, als aufgehellte Flöte. In vielen Fällen kann man sich aber helfen, wenn man Bourdon 16′ + Spitzflöte 8′ kombiniert und eine Oktave höher spielt, auf diese Weise 8′ + 4′ gewinnend, etwa zur Begleitung in Choralvorspielen. Überhaupt lassen sich durch solche Oktavversetzung nach unten wie oben noch ungeahnte Klangfarben zaubern (z. B. Bourdon 16′ + Gamba 8′, Manuale gekoppelt und eine Oktav höher gespielt, und man hat einen Flötenklang 8′ + Streicher 4′, wobei man den 4′ noch nach Bedarf mit dem Schweller modifizieren kann usw.).

Ebenso schmerzlich war der Verzicht auf eine Flöte 8′ im Pedal aus finanziellen Gründen. So wurde der Oktavbass 8′ so intoniert, dass er eine Doppelfunktion erfüllt (ebenso Metallflöte 4′). Andererseits besteht noch die Möglichkeit des Ankoppelns eines leiseren 8′ aus den Manualwerken.

Besonders wichtig war mir Schweitzers Forderung: „An dem Grundsatz, dass das Schwellwerk das vollständigste sein müsse, ist unter allen Umständen festzuhalten.“ (a. a. O., S. 62) So hat das Schwellwerk die meisten Register, die charakteristischsten Farben und die intensivste Intonation. Großen Wert legte ich darauf, dass der Schwellkasten wirklich dicht ist, wenn er geschlossen ist. Das Schwellwerk muss noch das Fortissimo im Tutti durch Öffnen und Schließen der Jalousien beeinflussen können und so einen symphonischen Effekt bewirken. Dazu trägt auch wesentlich das flächige, „fülliger“ als eine Prinzipalmixtur klingende Plein jeu 4-6fach und der intensive Hautbois französischer Bauart mit abgerundeten Kehlen und Zungen bei.

Will man dagegen „barock“ spielen, so findet man im Hauptwerk den lückenlosen Prinzipalaufbau und im Schwellwerk mit der Mischung (zusammen oder in Auswahl) Holzgedackt 8′ + Koppelflöte 4′ + Nazard 2 2/3′ +  Prinzipal 2′ + Sifflet 1′ ein Brustwerk versteckt. Auch räumlich entspricht das Werk einem klassischen Brustwerk und eignet sich somit auch gut zum Begleiten von Solisten. Bei der Generalsanierung 2013 (mit vorteilhafter Nachintonation) für 52000 € durch die Orgelbauwerkstatt Mühleisen aus Leonberg wurde der 2′ der Mixtur im Hauptwerk als Vorabzug (Prinzipal 2′) schaltbar gemacht, was ich sehr begrüße, und die Trompete 8′ wurde durch eine neue ersetzt.

Das durchgängig ohne Repetitionen gebaute Labial-Cornett im Pedal ersetzt die Pedalmixtur und ist zugleich mit der Obertonzusammensetzung 2′ + 1′ + 2/3′ cantus-firmus-fähig von der 16′- bis hinauf zur 2′-Basis, auf die die Obertöne abgestimmt sind.

Ansonsten folgt das Äußere der Orgel dem klassischen Werkaufbau mit dem Hauptwerk oben in der Mitte, dem Schwellwerk an der Stelle eines Brustwerkes darunter, und links und rechts die beiden Pedaltürme mit Kupferpfeifen im Prospekt. Für besondere klangliche Verschmelzung sorgt die Terz-Aufstellung der Pfeifen im Hauptwerk, die im Prospekt aus einer Zinnlegierung bestehen (im Inneren kommen auch Holzpfeifen vor, so z. B. bei Holzgedackt 8′ und Subbass 16′).

Natürlich hat die Orgel Schleifladen und mechanische Spieltraktur. Die Registertraktur wurde dagegen elektro-pneumatisch ausgeführt wegen der für damalige Verhältnisse hochmodernen Spielanlage mit vier Setzerkombinationen, die zudem für jedes Werk getrennt setz- und abrufbar waren über Pistons und Druckknöpfe in Wechselwirkung. Diese Anlage tauschte man 2007 aus gegen eine Setzeranlage mit 4000 freien Kombinationen (mit Sequenzschalter als Piston und Drückknöpfe). Bedauerlich finde ich, dass die Koppeln heute nur noch über die Registerwippen schaltbar sind und nicht mehr auch über mit diesen in Wechselwirkung stehenden Pistons, die unten links über dem Pedal lagen (man hat eher einen Fuß, und dann leichter den linken, statt einer Hand frei zum Schalten). – Man sage nicht, eine solch aufwändige Spielanlage sei für eine Orgel dieser Größe am wenigsten nötig – das genaue Gegenteil ist der Fall! Gerade hier muss man ungehindert mit den Möglichkeiten spielen können, um zu klanglicher Vielfalt zu gelangen, was bei mehreren Manualen und mehr Registern viel einfacher ist. Dank dieser Konzeption (auch klanglich) konnte ich hier 1974 Widors „Ostersymphonie“ (Symphonie Romane op. 73) vollgültig an dieses kleine Instrument adaptieren (eine Aufnahme bezeugt dies). Auch der Hamburger Prof. Heinz Wunderlich (1919 – 2012) war von Klang und Spielanlage hell begeistert, als er hier 1973 ein großes Programm von Buxtehude über Bach und Reger (2. Sonate) bis zu Messiaen („Dieu parmi nous“) spielte. 2013 hörte ich hier zur vollen Zufriedenheit Widors 5. Symphonie, gespielt von Andreas Karthäuser.

Alle Registerwippen sind links am Spieltisch – übersichtlich nach Werken geordnet – angebracht, damit der Organist auch während des Spiels leicht hineinregistrieren kann (was sich mit der Linken, die unauffälliger zu entbehren ist als die Rechte, einfacher realisieren lässt). Sollte doch mal ein Registrant benötigt werden, so kann dieser alles von der linken Seite aus tätigen und muss nicht störend um den Spieler herumlaufen zur anderen Seite wie bei beidseitig verteilter Registeranordnung (wobei in diesem Fall manchmal sogar zwei Registranten benötigt werden).

Die Frequenz des aufs Schwellwerk wirkenden Tremulanten ist am Spieltisch regelbar.

Die Pedalklaviatur wurde radial nach BDO-Norm angefertigt.

Das breite Notenpult ist ausziehbar und höhenverstellbar angebracht, selbstverständlich ist auch die Orgelbank höhenverstellbar.

Am 6. Mai 1973 habe ich die Orgel mit einem großen Konzert eingeweiht (Programm von Cabezón über Frescobaldi, Bach, Brahms, Franck und Widor bis Alain). Und zum 40jährigen Orgeljubiläum spielte ich hier am 8. September 2013 neben Bach, Mendelssohn und Franck die Uraufführung der „Variations Sur A.Schweitzer“ von Christoph Weinhart (geb. 1958), die eigentlich eine große dreimanualige Orgel französischen Stils erfordern: die Registrierkonzeption gelang so, dass anwesende Musiker und selbst der Komponist das Werk „wie der Orgel auf den Leib geschrieben“ empfanden.

Disposition

1. Manual, Hauptwerk C-g“‘, 56 Tasten
Winddruck 50 mm
Bourdon 16′
Prinzipal           8′
Spitzflöte          8′
Octave              4′
Waldflöte          2′
Prinzipal           2′ (Vorabzug)
Mixtur 4f.          2′
Trompete          8′
2. Manual, Schwellwerk
Winddruck 55 mm
Holzgedackt 8′
Gamba                    8′
Koppelflöte             4′
Nazard                    2 2/3′
Prinzipal                 2′
Terz                        1 3/5′
Sifflet                      1′
Plein jeu                  4-6f.
Hautbois                 8′
Tremulant
Pedal C-f‘, 30 Tasten
Winddruck 60 mm
Subbass 16′
Oktavbass           8′
Metallflöte          4′
Labial-Cornett    2′, 1′, 2/3′
Fagott                16′

 

Mechanische Schleifladen, elektro-pneumatisches Regierwerk.
3 Koppeln, 4000 Setzer (2007 eingebaut), Jalousieschweller 2. Manual, Tastenheizung, Sitzbankheizung. Orgelbau Steinmeyer (1523 Pfeifen) • Mensuren: Fritz Steinmeyer • Intonation: Harald Oschler, Andreas Trüper • Montage: Sebastian Stempfle, Albert Frey • Disposition und Spieltischgestaltung: Rainer Noll

Generalsanierung 2013 durch Orgelbau Mühleisen, Leonberg (Prinzipal 2′ im HW hinzugefügt durch Vorabzug aus der Mixtur, Trompete 8′ ersetzt, optische Verbesserungen am Spieltisch) •

Intonation: Christoph Dörr

 

Zusammensetzung der Mixtur (Hauptwerk)

 

C 2′ 1′ 2/3′ 1/2′
c 2′ 1 1/3′ 1′ 2/3′
c‘ 2 2/3′ 2′ 1 1/3′ 1′
c“ 4′ 2 2/3′ 2′ 1 1/3′
dis“‘ 4′ 2 2/3′ 2′ 2′

 

Zusammensetzung des Plein jeu (Schwellwerk)

C 1′ 2/3′ 1/2′ 1/3′ 1/4′
Fis 1 1/3′ 1′ 2/3′ 1/2′ 1/3′
c 2′ 1 1/3′ 1′ 2/3′ 1/2′ 1/2′
fis 2 2/3′ 2′ 1 1/3′ 1′ 2/3′ 2/3′
c‘ 4′ 2 2/3′ 2′ 1 1/3′ 1′ 2/3′
fis‘ 4′ 2 2/3′ 2′ 1 1/3′ 1 1/3′ 1′
c“ 8′ 4′ 2 2/3′ 2′ 2′ 1 1/3′
fis“ 8′ 4′ 2 2/3′ 2 2/3′ 2′
dis“‘ 8′ 4′ 4′ 2 2/3′

 

Den letzten Repetitionspunkt legte ich auf dis“‘, damit die normalerweise bis d“‘ gehende barocke und überhaupt die ältere Orgelliteratur von dieser Repetition nicht mehr unnötig betroffen wird.

 

Der anfangs zitierte Artikel (1975) von Martin Weyer schließt mit dem Wunsch, es „könnten Dispositionsgrundsätze entwickelt werden, die wissenschaftliche Erkenntnisse der Orgelbewegung nutzen, sich aber von ihrer historisierenden Doktrin emanzipiert haben.“ Und Weyer warnend weiter: „Es kann dann nicht mehr darum gehen, einen romantisierenden Historismus an die Stelle des barockisierenden zu setzen oder gar die Orgelneubauten der letzten Jahrzehnte [also vor 1975] entsprechend zu behandeln: An Bilderstürmereien ist die deutsche Orgelbaugeschichte reich – aber stets war der Verlust größer als der Gewinn.“ Heute aktueller als damals, sagte mir doch ein Organist, er weigere sich auf einer Orgel zu spielen, die zwar „leider eine Zimbel“, aber „nicht mal eine Vox coelestis“ habe!

Ähnliches schreibt Prof. Dr. Wolfgang Metzler (geb. 1941), der Schweitzers Standort in der Orgelbewegung als Erster richtig einordnet, bereits 1965 in seinem Buch „Romantischer Orgelbau in Deutschland“ (Reprint in Vorbereitung), S. 93, und wünscht, „dass heute Instrumente entstehen, die das auf Synthese bedachte Programm Albert Schweitzers in einem umfassenderen Sinne zu erfüllen vermögen, als es seinerzeit möglich war.“

Alles Epigonenhafte und bloß Nachahmende, archaistische Tendenzen und Historizismus lehnte Schweitzer ab. Es ging ihm generell um die Schaffung neuer Ideale für seine Zeit, die er durch eigenschöpferisches Ringen aus der Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft gewinnen wollte. Historisches diente ihm allenfalls als Katalysator für eigene geistige Prozesse, nie als nur zu kopierendes Ideal, das dann schnell zu ideologischer Verengung führt. Der Glaube an die Kraft des eigenen Geistes gab ihm den Mut, selbständig neben historische Größen zu treten und den Faden der Geschichte in der Gegenwart weiterzuspinnen.

1972/73, also zeitlich zwischen den beiden Äußerungen von Weyer und Metzler, versuchte ich, dieses Konzept in Bierstadt in die Praxis umzusetzen. So entstand, inspiriert vom Orgelideal Albert Schweitzers, ein Instrument, das nicht mit dem bricht, was sich in jahrhundertelanger Tradition als gut erwiesen hat (z. B. barockes Werkprinzip, Schleifladen, mechanische Spieltraktur), gleichzeitig die Romantik nicht verleugnet und sich frei von historischen Vorurteilen der modernsten Mittel der Spielhilfen aufs Sinnvollste bedient.

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