Meine 30jährige Tätigkeit an St.Martin Kelsterbach (1972 – 2002)

Meine 30jährige Tätigkeit an St.Martin Kelsterbach (1972 – 2002)

Mein Schwerpunkt war und ist gerade die künstlerische Arbeit. Diese versuchte ich immer im Rahmen der Kelsterbacher Möglichkeiten zu intensivieren, so weit dies nur irgend ging (durch Qualität, und nicht Quantität). Stets hielt ich meinen künstlerischen Anspruch aufrecht, auch wenn es oft schwierig war, und dies ist in Zeiten kultureller Verflachung besonders wichtig.

1977 hatte ich mein A-Examen abgelegt und startete gleich mit einer ganzen Reihe von Konzerten, darunter das längst zur Tradition gewordene Konzert zu Bachs Todestag, dessen 25. wir am 28. Juli 2002 begingen (siehe dazu beil. Text von Eckard Gandela sowie die Rede von Dr. Werner Ball zu meinem 25jährigen Dienstjubiläum). – Diese Bach-Konzerte begannen als reine Orgelkonzerte, in denen ich alle Gattungen des Bachschen Orgelschaffens vorstellte. Erst dank städtischer finanzieller Mittel wurden auch Ensemble-Aufführungen mit hochrangigen Solisten, dem „Heidelberger Kantatenorchester“ und den „Idsteiner Vokalisten“, die ich seit 1995 projektweise leite, möglich. Erst diese städtische Unterstützung ermöglichte mir ein anspruchsvolles Tätigwerden als Dirigent. Eine weitere finanzielle Hilfe bietet der 1998 von mir gegründete Förderkreis.

Auch andere Anlässe wurden musikalisch ausgestaltet in Konzerten, musikalischen Andachten und Kantatengottesdiensten mit der Kantorei St. Martin, so der Todestag von Albert Schweitzer, die Passionszeit und Karfreitag, der Reformationstag, der Bußtag oder der Totensonntag, die Advents- und Weihnachtszeit mit manchmal mehreren Veranstaltungen (am 7. Dezember 2002 musizierten wir die 20. „Abendmusik zum Weihnachtsmarkt“). Dazwischen fanden verschiedene Konzerte statt, z.B. mit Gastchören (Sulzbacher Kantorei, Alsfelder Vokalensemble, Dillenburger Kantorei, Rundfunk- und Fernsehchor St. Petersburg – jetzt „Stimmen der Newa“), oder auch mit Gastorganisten aus Deutschland, Holland, der Tschechischen Republik, Israel, England, Japan und den USA. Hierbei, und natürlich auch bei meinen anderen Konzerten, bewährte sich immer wieder die besondere Akustik und die klanglich herausragende Orgel der Martinskirche, die im Oktober 2002 mit einer Setzeranlage optimal aufgerüstet wurde. Ich selbst spielte und dirigierte natürlich auch außerhalb Konzerte in mehreren europäischen Ländern und den USA. Dazu kamen noch Vorträge, Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sowie das Ordnen und Katalogisieren des gesamten musikalischen Nachlasses von Albert Schweitzer, das sich über Jahre hinzog und für das ich eine Freistellung für wissenschaftliches Arbeiten erhielt. Als künstlerischer Leiter der „Airport Chapel Concerts“ des Flughafens Frankfurt nahm ich sofort die Gelegenheit wahr, mit Konzerten ins unmittelbare Umfeld zu gehen (1981/82, in Zusammenarbeit mit Flughafenpfarrer Lindenmeyer).

Selten wiederholte sich ein Werk in den Programmen meiner Konzerte, jedes Programm wurde ganz neu erarbeitet. Mein Repertoire umfasst Musik mehrerer Jahrhunderte. Dabei war mir auch immer besonders wichtig, dass das Schaffen der Gegenwart vertreten war. Namhafte Komponisten aus Deutschland, Holland und Frankreich widmeten mir sogar Werke für Uraufführungen und reisten dazu meist persönlich an.

Besonderen Wert lege ich auf die Gestaltung der Programme sowie der Programmhefte, in die ich möglichst den neuesten Stand der musikwissenschaftlichen Forschung einbeziehe (persönliche Kontakte zu führenden Forschern wie z.B. Ton Koopman, Christoph Wolff und Albert Clement waren dem nur förderlich).

Inzwischen haben sich musikalische Schwerpunkte herauskristallisiert, zu denen das stets zahlreiche und sehr interessierte Publikum aus ca. 100 km Umkreis und weiter anreist. Sein Publikum sollte man allerdings auch pflegen, und dies tue ich durch persönliche Einladungen und sonstige möglichst persönliche Kontaktpflege. Dazu habe ich über Jahre eine Interessentenkartei aufgebaut, die ich ständig aktualisiere und verwalte. Auch eine intensive Medienarbeit sei hier erwähnt.

Fast alle Konzerte seit meinem Amtsantritt (1972) sind als Tondokumente in bester Klangqualität aufgezeichnet, was eine Seltenheit sein dürfte. Hierfür habe ich mir eine hochwertige Aufnahmeausrüstung sowie ein Tonstudio zugelegt, so dass bisher über zehn CDs aus diesem Fundus veröffentlicht werden konnten, die ich tontechnisch und teils gestalterisch selbst betreue. Es handelt sich ausschließlich um Live-Aufnahmen, die somit wie nichts anderes meine bisherige Arbeit sowohl als Organist wie als Dirigent dokumentieren.

Wer wirklich künstlerisch arbeitet, der tut dies in völliger Selbstvergessenheit und ohne zu fragen in totaler Hingabe, einzig im Hinblick auf die Freude an der Vollkommenheit des Ergebnisses, womit er sein Publikum beglückt, erhebt und bessert.

Daneben gründete ich 1990 die „Torhauskonzerte“, die einmal jährlich im „Erbacher Hof“ in Wiesbaden-Nordenstadt, dem mittelalterlichen Bauernhof meiner Vorfahren, stattfinden und deren 10. Elmar Gunsch moderierte. Dort finden auch seit 2000 musikalische Weinproben statt.

Rainer Noll

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