Schweitzer und Silbermann

Einige Thesen zum Thema

Albert Schweitzer und Silbermann

(Vortrag von Rainer Noll 3.10.2024 für Silbermann-Tagung in Königsfeld/Straßburg)

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gab eine Zeit, da Schweitzer und Silbermann fast Synonyme waren in der Orgelwelt.

Es hieß: „In Afrika rettet er alte Neger, in Europa alte Orgeln.“ [Zitat!]

Das kam daher, dass er als erste Orgel die Silbermann-Orgel in St. Thomas in Straßburg vor dem Abriss gerettet hatte.

Aber wie war sein Verhältnis zu „Silbermann“?

Dazu kurze Thesen.

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Freie Rede vorm Konzert am 12.11.2023 zu 200 Jahre St. Martin Kelsterbach

(aus dem Gedächtnis nachgeschrieben am 6.12.2023 – Nikolaustag)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

gestern war Martinstag (11.11.). Dieser Tag vor genau 200 Jahren war der Weihetag dieser Kirche hier. Fast ein Viertel von dieser Zeit war ich Kantor dieser Kirche. Und von meiner gesamten Lebenszeit waren das fast zwei Drittel.

Es freut mich ganz besonders, Ihnen heute zu diesem großen Anlass Werke zu spielen, die ich hier nie während meiner langen Amtszeit spielte. Alles Neueinstudierungen, darunter drei Uraufführungen über das Martinslied, deren Tinte fast noch nicht trocken ist.

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Rainer Noll (Orgel) spielt das Jubiläumskonzert zu 200 Jahre St. Martin Kelsterbach 12.11.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Musikfreunde,

wie ich schon angekündigt hatte, findet das Jubiläumskonzert zu 200 Jahre St. Martin Kelsterbach am

Sonntag, dem 12. November 2023 um 19:30 Uhr in der St. Martinskirche Kelsterbach statt

(nicht direkt am Martinstag, 11. November, wie manche angenommen haben!)

Dies soll zugleich mein Abschiedskonzert vom öffentlichen Konzertieren nach 60 Jahren öffentlichem Orgelspiel sein.

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Zwei Pole in der Brust einer Künstlernatur

Kurz-Essay von Rainer Noll (19.6.2023)

Ganz grob und schwarz-weiß gesagt gibt es zwei Sorten von Künstlern, natürlich mit stufenlosen Übergängen und Gleichzeitigkeiten (und mehr oder weniger abgeschwächt trifft das vielleicht auf alle Menschen zu):

Die einen schaffen aus Defizit: Aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus hungern sie nach Anerkennung und Liebe und wollen durch ihr Werk geliebt werden (meist können sie auch nichts anderes). Sie leben in dem Gefühl, ihr Dasein sei durch nichts sinnvoll und gerechtfertigt außer durch ihre Leistung (was allerdings zu Höchstleistungen anspornen kann). Oft biedern sie sich an und folgen dem Zeitgeist, um zu „gefallen“ – oder aber durch Widerspruch zu ihm aufzufallen. Sie suchen krampfhaft Rechtfertigung durch ihr Werk, und von ihren Mitmenschen saugen sie Liebe, die sie doch immer unbefriedigt lässt und enttäuscht. Nicht selten sind es narzisstische Charaktere, und manche von ihnen werden so zu Misanthropen.

Die anderen schaffen aus Fülle: In innerer Unabhängigkeit wollen sie mit Ihrem Werk Liebe geben ohne Gegenleistung, sie „verströmen“ sich in ihrem Werk wie eine Rose ihren Duft verströmt und blüht und welkt, egal ob jemand sie bewundert (und oft genug werden sie erst nach ihrem Tod entdeckt und anerkannt). Dies sind die seltenen Menschen, die sich in innerem Reichtum bejaht, geliebt und gerechtfertigt fühlen und andere an ihrer Fülle teilhaben lassen, indem sie von ihrem Reichtum verschenken – unabhängig von Erfolg und vom je nach Zeitgeist schwankenden Urteil der Welt. Oft hat ihr Schaffen eine religiöse oder wenigstens spirituelle Dimension.

Sicher existiert keiner der beiden Typen in Reinkultur. Oft wohnen auch zwei Seelen friedlich nebeneinander in einer Brust oder das Pendel neigt sich fließend mal zur einen oder anderen Seite. Möge nun jeder die ihm bekannten Künstler zwischen diesen beiden Polen verorten – und auch sich selbst.

Krieg, der Traum vom „ewigen Frieden“ und Holz und Kohle

Essay von Rainer Noll (1.4.2023)

Welches Geschlecht in der Menschheitsgeschichte glaubte nicht, dass seine Epoche den Zenit, die einsame, nie zuvor erreichte Höhe in der menschlichen Entwicklung darstellt, ja, der Mensch an sich die Krone der Schöpfung sei? Man redete sich ein, alles Negative und Unvollkommene, was je in der Geschichte zuvor war, überwunden zu haben und auf dem Gipfel des Fortschritts zu stehen, in wissenschaftlicher, technischer und auch moralischer Hinsicht.

Einer, der sich von dem Rausch des Fin-de-Siècle-Optimismus am Ende des 19. Jahrhunderts nicht täuschen ließ und dennoch nicht in einem Fin-de-Siècle-Pessimismus versank, war Albert Schweitzer, der 1931 schrieb: „Als man gegen Ende des [19.] Jahrhunderts auf allen Gebieten Rückschau und Umschau hielt, um seine Errungenschaften festzustellen und zu bewerten, geschah dies mit einem mit unfasslichen Optimismus. Überall schien man anzunehmen, dass wir nicht nur in Erfindungen und im Wissen vorangekommen seien, sondern uns auch im Geistigen und im Ethischen auf einer nie zuvor erreichten und nie mehr verlierbaren Höhe bewegten. Mir aber wollte es vorkommen, als ob wir im geistigen Leben vergangene Generationen nicht nur nicht überholt hätten, sondern vielfach nur von deren Errungenschaften zehrten … und dass gar mancherlei von diesem Besitze uns unter den Händen zu zerrinnen begönne.“ (Aus meinem Leben und Denken, München und Hamburg 1965, S. 123f – deshalb lautete der ursprünglich geplante Titel von Schweitzers Kulturphilosophie „Wir Epigonen“) „Krieg, der Traum vom „ewigen Frieden“ und Holz und Kohle“ weiterlesen