Weihnachtsrundmail: Zu Erich Kästner „Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag“

Zu Erich Kästner: „Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag“

Weihnachtsrundmail

 Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde,

was gibt es unter der Sonne (und sogar unter dem Mond) an Wesentlichem, das nicht schon gesagt, mehrfach wiederholt und manchmal als „neu“ angepriesen, aber ebenso oft auch vergessen worden wäre?

Besseres und Neueres als in meiner Weihnachtsrundmail von 2012 kann auch ich nicht sagen, und so erlaube ich mir, diese Gedanken von vor sieben Jahren noch einmal zu wiederholen, da sie nie ihre Aktualität verlieren werden.

Bereits im letzten Jahrhundert widmete Erich Kästner (1899-1974) Weihnachten ein Gedicht mit etwas anderen, dissonanteren Tönen, als man sie heute oft in der vom Münchener Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf beklagten Infantilisierung, Bildungsferne und der Verkündigung eines „Kuschelgottes zum Aufwärmen“ und einer „Wellness-Religion zum Wohlfühlen“ vernimmt: „Weihnachtsrundmail: Zu Erich Kästner „Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag““ weiterlesen

Zur Selbstfindung als Mensch in Leben, Welt und Kosmos

Zur Selbstfindung als Mensch in Leben, Welt und Kosmos
Erinnerung an einige vergessene Zusammenhänge
Essay von Rainer Noll (Februar bis Mai 2018 – „Hommage an den Geist“ zu Pfingsten)

I. YouTube

Eigentlich wollte ich jemandem nur ein paar Links zu einigen meiner YouTube-Stücken senden. Da bemerkte ich Folgendes: Die Musikstücke, die ich auf YouTube gestellt habe (ca. 250 bisher, siehe https://www.youtube.com/channel/UCaGUd6cAXHZhIMqZn6eqfwg/videos), alles Live-Mitschnitte meiner Konzerte der letzten 50 Jahre, zeugen von einer für mich selbst überraschend großen musikalischen Vielfalt und, wie ich im Rückblick feststellen muss, von einem reichen Musikerleben, das man aus der Distanz anders wahrnimmt, als wenn man mitten drin steckt. Da frage ich mich manchmal: wer oder was bin ich eigentlich? Kantor, d.h. Organist (wie die meisten Werke bezeugen) und Dirigent (siehe z.B. https://youtu.be/VQ3urNd6c0E), Cembalist (siehe https://youtu.be/66XYbYp24dU + https://youtu.be/ZU9klDicJ0Y) , Komponist (siehe https://youtu.be/t2MSLPm_q-Y) oder gar Pianist (siehe https://youtu.be/U2vrntJ6bLk), Bearbeiter (siehe https://youtu.be/S-eBT4eJp5Q
), Spezialist für Alte oder sogar ganz Alte Musik (siehe z.B. https://youtu.be/Ps0TwntCKfQ) oder Romantik (siehe z.B. https://youtu.be/M5rQxOpsovU) oder gar Neue Musik (siehe die zeitgenössischen Werke und zahlreichen Uraufführungen wie https://youtu.be/wNsUL6KjTK4)? Auch etwa privater Musikveranstalter (siehe z.B. meine Torhauskonzerte)? Sicher von jedem etwas, und zumindest so viel, um das Prinzipielle davon verstanden zu haben. Ich würde heute sagen: einfach Musiker. Genau so bezeichnete sich auch Leonard Bernstein, wenn er nach seinem Beruf gefragt wurde – ohne mich mit diesem Giganten gleichstellen oder vergleichen zu wollen.

II. Vielfalt

Aber auch meine Leidenschaft z.B. für Naturwissenschaften (allen voran Astronomie), Philosophie im weitesten Sinne, Theologie, Geschichte und Literatur, ebenso Orgelbau (siehe https://erbacher-hof.de/orgel/bierstadt_2014, https://erbacher-hof.de/orgel/nordenstadt und https://erbacher-hof.de/orgel/kelsterbach_stmartin ) ist nie erloschen. Als Bauernbub aus dem 2000-Seelen-Dorf Nordenstadt, in dem damals das 19. Jahrhundert noch nicht ganz Vergangenheit war, hatte ich das geradezu unverschämte Glück, nicht nur großen Musikern, Musikforschern, Theologen und anderen bedeutenden Persönlichkeiten persönlich begegnet zu sein, sondern auch Naturwissenschaftlern wie z.B. dem Quantenphysiker Pasqual Jordan (1902 – 1980), der noch mit Albert Einstein (er schlug ihn 2x für den Nobelpreis vor), Max Born, Wolfgang Pauli und Werner Heisenberg zusammengearbeitet hatte – in der Wohnung von Hauptpastor Heidelbach (St. Michaelis Hamburg) philosophierten wir am 3.3.1970 bis in die Morgenstunden über Größe und Grenzen der Naturwissenschaften. Wenig später saßen wir dort zusammen mit dem in Wien geborenen führenden Hamburger Neurochirurgen Rudolf Kautzky (1913 – 2001).

III: Mensch

Aber noch vor dem Musiker und allem anderen bin ich Mensch, einfach Mensch, und das in erster Linie.

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Ein Querdenker, doch kein Querulant

09.08.2010 – NORDENSTADT – Von Joachim Atzbach

BÜRGERMEDAILLE Auszeichnung für Rainer Noll

„Begeisterung ist ein guter Treibstoff, doch leider verbrennt er zu schnell.“ Ob das Zitat seines großen Vorbildes Albert Schweitzer auf ihn zutrifft, darf doch bezweifelt werden. Eher liegt nah, dass damit Rainer Nolls Widerspruchsgeist herausgefordert wäre. Jedenfalls, wenn es um die Musik geht, der Noll sein ganzes Leben untergeordnet hat.

Kleider aufgetragen

„Mich verwundert manchmal, dass mir immerhin die materiellen Grundinteressen nicht völlig egal waren“, sagt der 61-Jährige und meint damit, dass ihm Geld als Wert an sich als so ziemlich die überflüssigste Sache der Welt vorkommt. Einem, der als Teenager ohne Murren die abgelegten Kleider seiner Brüder aufgetragen hat, glaubt man das. Man glaubt das auch dem Kantor, der seit 38 Jahren am doch recht überschaubaren Berufsstandort Kelsterbach festhält. Einerseits der „herrlichen“ Orgel wegen, wie er sagt. Andererseits würde er die mit der Anstellung einhergehende künstlerische Freiheit um keinen Preis der Welt missen wollen.

Nachdem er in Siena von dem großen Organisten Fernando Germani nach einem auswendigen Bach-Vorspiel spontan in dessen Klasse aufgenommen worden war, verlängerte Rainer Noll kurzerhand zum Entsetzen seiner Eltern und Lehrer die Sommerferien um einige Wochen. „Ich war nie ein Querulant, aber stets ein Querdenker“, kann er heute längst darüber schmunzeln, wie er als Musikstudent von der Hamburger Hochschule deswegen aus dem Studiengang Kirchenmusik „entfernt“ wurde und einfach zum Hauptfach Klavier wechselte. Bequeme Wege hat er auch weiterhin gemieden.

„Meine Musik hat nie imitiert. Ich habe immer meinen eigenen Stil verfolgt“, sagt Noll. Und hat damit immer wieder überzeugen können. Auch einen Kelsterbacher Pfarrer, der zufällig mitbekam, wie der Student die dortige Kirchenorgel „testete“. Danach wurde ihm sofort die Kantorenstelle angetragen. Das eigentlich hierfür notwendige Examen durfte er später nachreichen.

Mehr als 100 Aufnahmen

Inzwischen umfasst sein Werkarchiv über einhundert CDs mit ausschließlich Live-Aufnahmen. Natürlich wurden die meisten in der Kelsterbacher St. Martinskirche aufgezeichnet.

Am Samstag hatte Rainer Noll nun zum 21. Torhauskonzert in den von ihm restaurierten, bald 400 Jahren alten Familiensitz Erbacher Hof eingeladen. Der Frankfurter Gitarrist Tilman Steitz spielte Werke von Bach bis Astor Piazzolla. Als Dank der Landeshauptstadt für sein vielfältiges Wirken verlieh Stadtrat Manfred Laubmayer an Rainer Noll die Silberne Stadtplakette: „Das Kulturleben des Rhein-Main-Gebietes bis nach Amerika hat Ihnen viele künstlerische Höhepunkte zu verdanken.“

Innere Erfüllung gesucht

Erschienen im Freitagsanzeiger am 24.04.2014

St. Martinsgememde verabschiedet Kantor Rainer Noll

„Wie kann denn einer mit den Füßen so spielen wie andere mit den Händen?“, hatte sich der Leiter des evangelischen Posaunenchors Ernst Freese oh gefragt. Denn die Germani-Fußtechnik beim Orgelspiel beherrschen nur wenige. Zu ihnen gehört Rainer Noll. Am Ostersonntag verabschiedete die St. Martinsgemeinde ihren langjährigen Kantor in den Ruhestand.

Den Gottesdienst hielt Dekan Kurt Hohmann. Musikalisch unterstützt wurde Nolls letztes Spiel als Kantor vom Posaunenchor. Eigentlich hatte Noll einen ruhigen Abschied geplant. Doch ganz so sang- und klanglos wollte sich die Gemeinde nicht von ihrem Kantor trennen, der zweiundvierzig Jahre lang das Gemeindeleben mitgestaltete. „Die Verkündigungdes Evangeliums in Wort und Musik ist nicht voneinander zu trennen“, sagte Hohmann.

Zwischen dem Kantor und der Förster 8x Nicolaus-Orgel sei es Liebe auf den ersten Blick beziehungsweise Ton gewesen, denn das Instrument sei „die ideale Bach-Orgel in idealer Akustik“, schwärmte Noll.

Nicht immer ganz so harmonisch war das Verhältnis zwischen dem Kantor und dem Kirchenvorstand. „Herr Noll ist halt ein Künstler. Den Anspruch, den er an sich selbst, an seine Musiker und auch an die Zuhörer hatte, war enorm hoch. Das haben eben nicht alle verstanden“, erklärte ein langjähriges Gemeindemitglied. Gerne erinnerten sich die Kirchgänger aber an die zahlreichen Konzerte, die Noll organisierte, und an die namhaften Künstler, die er nach Kelsterbach brachte, zurück. Besonders die Meditation zur Todesstunde Jesu wurde hoch gelobt

Auf den Gottesdienst folgte ein Umtrunk im Haus Feste Burg. Dort wurden viele Lobesworte gesprochen. Klaus Preußner, der Kirchenvorstandsvorsitzende, aber auch Bürgermeister Manfred Ockel, Joachim Bremer, ehemaliger Pfarrer der St. Martinsgemeinde, Katja Ehrlich von der Frauenhilfe und Ernst Freese sprachen Noll ihren Dank aus und wünschten ihm für den Ruhestand nur das Beste.

Noll zeigte sich sichtlich gerührt. aber auch nachdenklich. Seine Zusammenarbeit mit der Gemeinde fasste er in kurzen Worten zusammen: „Ich habe nie an Karriere im Sinne von äußerlicher Anerkennung oder einer hohen Position gedacht. Es ging nie darum. mal ein angesehener Organist in einem Dom zu sein. Mir ging es um die innere Erfüllung. Und die belohnt sich immer von selbst.“

Konkrete Pläne für den Ruhestand hat Noll noch nicht. Seine beiden Leidenschaften, die Beschäftigung mit Johann Sebastian Bach und Albert Schweitzer. werden aber sicher auch Zukunft eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen.

Das Ende einer Ära

Erschienen in der Frankfurter Neuen Presse am 19.04.2014

Kantor Rainer Noll verabschiedet sich am Ostersonntag

Nach 42 Jahren geht der Kantor der St. Martinsgemeinde in Kelsterbach, Rainer Noll, in den Ruhestand. Wer die Nachfolge antritt ist ungewiss.

Ruhig und besonnen ertasten seine Hände die Notenblätter und ziehen einige Register. Noch einmal konzentriert durchatmen, dann beginnt er mit dem Orgelspiel. Das gehört bald der Vergangenheit an. Denn Kantor Rainer Noll wird nach fast 42 Jahren am Ostersonntag von 9.30 Uhr an in der evangelischen St. Martinskirche verabschiedet. Anschließend wird es noch einen Umtrunk geben.

Ob es einen Nachfolger geben wird, weiß er nicht. Er jedenfalls habe weder von der Kirche noch vom Dekanat etwas erfahren. – „Die Gemeinde wird dann sowieso keinen Unterschied feststellen.“ Bei diesen Worten liegt Wehmut in Nolls Stimme, und in seinem Blick. Er sieht, was das Orgelspiel anbelangt, in eine ungewisse Zukunft.

Bislang hat ihn niemand von der Stadt gefragt, ob er bereit sei, auch in seinem Ruhestand die von ihm ins Leben gerufenen Konzertreihen fortzusetzen. „Selbst wenn das jetzt noch der Fall wäre, gäbe es ein Jahr Pause“, sagt der Kantor. Denn die nächsten regulären Konzerte wären schon im Juli. Noll betont, dass er sie bis dahin nicht organisieren könnte. Jedenfalls hofft er, dass er sich auch in seinem Ruhestand ab und zu einmal an die Orgel in der Kirche setzen darf.

Rainer Noll ist ein vielschichtiger Mensch. „Mich interessierte stets weniger der äußere Erfolg als die innere Erfüllung.“ So würde der 65-Jährige niemals auf seine geistige Freiheit verzichten wollen. Funktionalität ist ihm zuwider, und Fraktionszwang und Gleichstellungen wie in der Politik stören ihn. Er setzt sich für Frieden und Freiheit ein und zeigt sich streitbar, wenn es um Anpassungszwang, Obrigkeitshörigkeit und Willkür geht.

Die Mitte der Musik

Die Liebe des gebürtigen Wiesbadeners zu Tasteninstrumenten erwuchs als Kind durch ein Klavier in der Grundschule. Auch der Klang von Kirchenorgeln prägten ihn früh. Als er den ersten Unterricht nahm, war er bereits elf Jahre alt. Alle seine Funktionen und Engagements aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Aber die Werke von Johann Sebastian Bach haben sein Schaffen sehr geprägt.

In Kelsterbach startete er 1977 die beliebten und stets resonanzträchtigen Konzerte zum Todestag von Johann Sebastian Bach, mit denen er in der Untermainstadt seitdem stets assoziiert wird. Noll sieht Bach als musikalischen Mittelpunkt, weil die gesamte Musikgeschichte von ihm weg und zu ihm hin gehe. Bach sei ein zentraler Komponist. „Er ist die Mitte der Musik, meine musikalische Heimat“, sagt er, und habe nicht nur Mozart und Beethoven beeinflusst. Aber Noll liebt auch Werke der französischen Spätromantik. Seine schönsten Erinnerungen an die Zeit als Kantor in der Martinskirche basieren deshalb auf den Bach-Konzerten, die ohne die großzügige finanzielle Unterstützung der Stadt nicht möglich gewesen wären.

Noll gründete auch eine Konzertreihe zu den Todestagen von Albert Schweitzer. Auch er ist eine zentrale Gestalt, mit der sich Noll seit seinem zehnten Lebensjahr intensiv befasst. Immerhin war Schweitzer auch Organist.

Im Jahr 1979 führte Noll in der St. Martinskirche musikalische Meditationen zur Todesstunde Jesu jeweils am Karfreitag ein. Er folgte damit dem Beispiel des Komponisten Johann Sebastian Bach. Darüber hinaus begründete Noll musikalische Andachten in der Passions- und Adventszeit.

Vielseitige Interessen

Wegen seines Mathematik- und Physikstudiums und seines ausgeprägten Interesses für Astronomie, gilt Noll eher als sachlicher Mensch mit kühlem Kopf. Doch wer ihn kennt, der weiß auch um die andere Seite des intelligenten Musikers, der sich auch für schöngeistige Dinge wie Theologie und Philosophie begeistert.

Ob und in welcher Funktion Rainer Nolls breitgefächerte Fähigkeiten und Talente erhalten bleiben, mit denen er sich all die Jahre rührend um die Orgel gekümmert und sie selbst vor jedem Konzert gestimmt hat, bleibt offen.

Artikel vom 19.04.2014, Orginal auf www.fnp.de

© 2014 Frankfurter Neue Presse