Bachkonzert 2004

Präludium und Fuge e-moll BWV 548

„Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ BWV 652

Partita über „O Gott, du frommer Gott“ BWV 767

Präludium und Fuge Es-dur BWV 552

 

An der Förster & Nicolaus – Orgel:

RAINER NOLL

Zum Programm

Musik will nicht nur verstanden werden, sie will vor allem erlebt werden. Zu beidem, Verstehen und Erleben, möchten die folgenden Anmerkungen zum heutigen Konzert dem interessierten Hörer eine Hilfestellung anbieten.

Präludium und Fuge e-moll BWV 548 gehören zu den größten Orgelwerken, die Bach geschrieben hat, sowohl dem Umfang als auch dem Gehalt nach. Die Komposition entstand zwischen 1727 und 1731, also in Bachs Leipziger Zeit. Alles an diesem Werk ist herb, nirgends findet man ein „gefälliges“ Thema, das man problemlos nachsingen könnte. Albert Schweitzer, der das Fugenthema als „eines der gewaltigsten, das die Musik überhaupt kennt“ bezeichnet, schreibt dazu: „e-moll-Präludium und Fuge sind so gewaltig angelegt und von einer solchen Herbheit in der Größe, dass der Hörer sie erst nach und nach erfassen kann.“ („J. S. Bach“, Wiesbaden 1960, S. 241) Der Bach-Forscher Christoph Wolff: „Werke wie Präludium und Fuge e-moll BWV 548 demonstrieren Bachs erstaunliche Fähigkeit, die Gattung Präludium und Fuge auf ein Niveau zu heben, das in der Größenordnung weit über das Wohltemperierte Clavier hinausging.“ ( „J. S. Bach“, Frankfurt 2000, S. 341 f.) Der Musikwissenschaftler Lothar Hoffmann-Erbrecht: „Die schwere Gebundenheit des Präludiums, das, von einheitlichem thematischem Material ausgehend, machtvoll aus dem Orgelpunkt herauswächst, löst sich in der kühnsten und freiesten Fuge, die Bach je geschrieben hat. Ihre dreiteilige Form mit dem toccatenhaften Mittelteil und der vollständigen Reprise des Hauptteiles zeigt Bachs vollendet gelungenen Versuch, die an sich heterogenen Elemente der Fugen- , Toccaten- und Konzertform genial miteinander zu verschmelzen.“ (LP-Covertext der Bachschen Orgelwerke, eingespielt von Gustav Leonhardt) Der Organist und Musikwissenschaftler Hubert Meister liefert auf dem Cover seiner Einspielung der Orgelwerke Bachs eine theologische Deutung: „Da Bach seine Hörer theologisch-geistlich belehren und bewegen will, liegt die Vermutung nahe, dass es ihm in diesem Werk um das Drama der Erlösungsbedürftigkeit geht.“ – Ich spiele das Präludium in einer Grand-Jeu- und die Fuge in einer Plein-Jeu-Registrierung.

 

Bach hat zwei große Bearbeitungen über „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ geschrieben. In der einen lässt er das Brausen des Heiligen Geistes im pfingstlichen Jubel hören. Die andere, die wir heute hören, ist introvertiert undverkündet das Mysterium des stillen, sanften Wirkens des Geistes. Sie gehört zu den mystischen Choralvorspielen Bachs. Jede Choralzeile wird in allen Stimmen vorimitiert, bis sie zuletzt in der Oberstimme wie eine Erleuchtung erstrahlt. Unmittelbar nach dem Halleluja bricht freudiger Jubel aus.

Die Partita über „O Gott, du frommer Gott“ besteht aus neun Teilen (Teil = lat. pars, daher die Bezeichnung Partita). Die Melodie des Chorales ist das verbindende Element aller Teile. Wie der holländische Musikwissenschaftler Albert Clement in seiner Dissertation (1989) nachgewiesen hat, ist jedem dieser Teile eine Strophe des Chorals zugeordnet, deren Inhalt von der Musik auf teils äußerst subtile Weise ausgedeutet wird. Deshalb finden Sie im Programm den vollständigen Choraltext zum Mitlesen. Teil I verherrlicht in seiner vollgriffigen Harmonisierung des Chorals die Majestät des Schöpfergottes. Im Bass des sechsten Teiles sind deutlich die „sauren Tritte“ abgebildet, durch die man ins Alter dringt, wie es in der zugehörigen Strophe heißt. Strophe sieben redet von Sterben und Grablegung: die Musik versinnbildlicht dies durch eine alle Stimmen durchziehende Abwärtslinie (ähnlich wie in der Orchesterbegleitung des Schlusschores der Johannespassion oder in den Bässen des Schlusschores der Matthäuspassion). Die folgende Strophe enthält die Bitte des Frommen, Gott möge seiner bei der Auferweckung der Toten gedenken: Bach schildert in quälender Chromatik die schmerzliche Sehnsucht derer, die in dunkler Gruft der Erlösung harren. Im letzten Teil bricht sich dann der Jubel der Auferstandenen Bahn, die sich den Lobpreis der Dreieinigkeit zusingen.

Präludium und Fuge Es-dur bilden die Rahmenstücke der „Clavierübung III. Teil“, die Bach als seine ersten Orgelwerke 1739 veröffentlichte (im Alter von 54 Jahren! – Mit 46 Jahren erst hatte er die „Clavierübung I. Teil“ als sein Opus I herausgegeben, was ein Licht auf seinen Anspruch an sich selbst wirft). Dieses Präludium und die Fuge sind zugleich sein letztes freies, d. h. nicht choralgebundenes Orgelwerk. Der Bach-Forscher Christoph Wolff bezeichnet die „Clavierübung III. Teil“ als Bachs „umfangreichstes“ und zugleich „bedeutendstes Orgelwerk“, ja als „die Quintessenz seiner Orgelkunst“ (zitiert nach Albert Clement, „Der dritte Teil der Clavierübung von Johann Sebastian Bach“, Middelburg 1999, S. 10). Dieser III. Teil ist der einzige aller Teile der Clavierübung, den Bach nicht nur „denen Liebhabern“, sondern „besonders denen Kennern von dergleichen Arbeit“ zueignet.

Sowohl im Präludium als auch in der Fuge spielt die Zahl drei als Symbol für die Dreieinigkeit eine zentrale Rolle: drei unterschiedliche Themenkomplexe beherrschen das Präludium, und drei auseinander hervorgehende Fugen verschiedenen Charakters bilden die Fuge als Ganzes.

Rainer Noll

Bachkonzert 2005

Georg Friedrich Händel (1685 – 1759)

Motetto „Silete venti“ HWV 242

für Sopran, Oboe, Streicher und Basso continuo

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Ouvertüre h-moll BWV 1067

für Flöte, Streicher und Basso continuo

Ouvertüre – Rondeau – Sarabande – Bourrée – Polonaise – Menuet – Badinerie

 

Kantate „O holder Tag, erwünschte Zeit“ BWV 210

für Sopran, Flöte, Oboe d´amore, Streicher und Basso continuo

 

Die Ausführenden:

Eva Lebherz-Valentin (Heidelberg), Sopran

Henner Eppel (Frankfurt), Flöte

Solisten des Heidelberger Kantatenorchesters:

Bernhard Messmer – Oboe und Oboe d´amore

Dennis Posin, Bettina Knauer – Violinen

Mirek Jahoda – Viola

Valeria Lo Giudice – Violoncello

Michael Herzer – Kontrabass

Martin Nitz – Cembalo

Leitung: Rainer Noll

 

Zum Programm:

Im diesjährigen Bach-Konzert werden Werke der beiden gleichaltrigen Barockkomponisten Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) und Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) gegenübergestellt. Beide sind sich nie begegnet, und sehr verschieden war ihr Lebensweg. Bach blieb ein Leben lang seiner thüringisch-sächsischen Heimat treu und lebte, in Diensten stehend, in bürgerlichen Verhältnissen, während der in Halle geborene Händel als freier Künstler seit 1703 in Hamburg und ab 1706 für viele Jahre in Italien weilte. Nach Zwischenspielen in London und Hannover ließ er sich 1712 als weitgereister Weltmann endgültig in London nieder, wo er als Opern- und Oratorienkomponist Triumphe feierte, aber auch Niederlagen einstecken musste (Bach dagegen hat nie eine Oper geschrieben). Wie Bach erblindete er am Ende seines Lebens (1751 beginnend). 1759 starb er in London und wurde dort mit höchsten Ehren in der Westminsterabtei beigesetzt, während Bach neun Jahre zuvor in aller Stille auf dem Johannisfriedhof in Leipzig beerdigt worden war.

 

Motetto „Silete venti“ HWV 242

1. Symphonia und Rezitativ

Silete venti, nolite murmurare frondes, quia anima mea dulcedine requiescit.

Schweigt, ihr Winde, und stört nicht mit eurem Rauschen in den Zweigen den süßen Frieden, in dem meine Seele zu ruhen gedenkt.

 

2. Arie

Dulcis amor, Jesu care, quis non cupit te amare; veni, transfige me.

Si tu feris, non sunt clades: tuae plagae sunt suaves, quia totus vivo in te.

Süße Liebe, teurer Jesus, wer begehrte nicht, dich zu lieben; komm, erfülle mich.

Wenn du mich strafst, verletzt du mich nicht: zärtlich erscheinen mir deine Streiche, weil ich ganz in dir lebe.

 

3. Rezitativ

O fortunata anima, o jucundissimus triumphus, o felicissima laetitia.

O beglückte Seele, o angenehmster Triumph, o überschwänglichste Freude.

 

4. Arie

Date serta, date flores; me coronent vestri honores; date palmas nobilis.

Surgent venti et beatae spirent almae fortunatae auras coeli fulgidas.

Windet Kränze, schmückt sie mit Blumen, mögen sie mich mit deiner Ehre krönen; lasst Edelpalmen ergrünen. Die Winde mögen wieder wehen und die gesegneten, glückseligen Seelen mögen den Glanz des Himmels kosten. (Übersetzung RN)

 

5. Alleluia.

 

Über die Hintergründe der Entstehung dieses Werkes haben wir keine Informationen. Das Manuskript wurde um 1724 geschrieben und ist die einzige Quelle. Es wurde nicht vor 1873 veröffentlicht. Die Form ist die der italienischen Motette, wie Quantz sie 1752 in seinem „Versuch“ beschreibt: eine lateinische Solokantate, bestehend aus zwei Arien und zwei Rezitativen mit einem abschließenden Alleluia, normalerweise aufgeführt während der Messe nach dem Credo (in England gab es dafür allerdings keine Möglichkeit). Derjenige Teil der Symphonia im ¾-Takt basiert auf der Sonata zu Chandos Anthem IV, „O sing unto the Lord“ (HWV 249b). Der Beginn von Nr. 4 ist der Deutschen Arie „Meine Seele hört im Sehen“ ähnlich, die um dieselbe Zeit entstand. Nr. 5 ist eine Neubearbeitung des Alleluias einer früheren Motette, „Saeviat tellus“ (HWV 240), wahrscheinlich schon 1707 in Rom entstanden. Nr. 2 und 4 hat Händel in der Version von 1737 von „Esther“ mit verändertem Text wiederverwendet.

 

 

Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 in Eisenach geboren. 1703 – 07 Organist in Arnstadt. 1707 – 08 Organist an St. Blasius in Mühlhausen. 1708 – 17 Hoforganist, Cembalist und Violinist (seit 1714 auch Hofkonzertmeister) in Weimar. 1717 – 23 Hofkapellmeister in Köthen. Ab 1723 Kantor der Thomaskirche und „Kirchenmusikdirektor“ der Stadt Leipzig, wo er am 28. Juli 1750 starb.

Von Bach sind vier Ouvertüren für Orchester überliefert. Es handelt sich eigentlich um Orchestersuiten, also eine Folge von stilisierten Tanzsätzen. Als Einleitung ist diesen eine ausladende Ouvertüre nach französischem Vorbild in feierlich-punktiertem Rhythmus und mit fugiertem Mittelteil vorangestellt, die schließlich als pars pro toto dem Ganzen seinen Namen gab.

Unter den vier Ouvertüren „zeichnet sich die Ouvertüre h-moll, BWV 1067, insofern aus, als Bach in ihr die kompositorischen Mittel des Solo-Concerto-Satzes im überwiegenden Teil des Werkes und mit souveräner Beherrschung anwendet. Hauptquelle ist ein Stimmensatz, von dem Bach die Stimmen der Flauto traverso und der Viola selbst wohl um 1738/39 geschrieben hat. Die Anfertigung der Stimmen könnte dadurch veranlasst worden sein, dass Bach seit dem 2. Oktober 1739 wiederum die Leitung des Collegium Musicum im Zimmermannschen Kaffeehaus übernahm. Da sich aus den Quellen keine Anhaltspunkte dafür gewinnen lassen, dass die Ouvertüre h-moll schon wesentlich früher oder gar in Köthen entstanden ist, kann auch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass das Werk überhaupt erst bei dieser Gelegenheit in Leipzig entstand.“ (Hans Grüß im Vorwort der Bärenreiter-Ausgabe, Kassel 2003) Die abschließende Badinerie gehört zu den bekannstesten Werken Bachs.

Es war Mendelssohn, der die vier Ouvertüren 1838 im Leipziger Gewandhaus erstmals seit Bachs Tod wieder aufführte (1829 hatte er erstmals wieder die Matthäuspassion dirigiert). Bereits als Elfjähriger spielte er dem über achtzigjährigen Goethe aus der D-dur-Ouvertüre Nr. 1 auf dem Klavier vor.

Albert Schweitzer schreibt zu den Ouvertüren: „In den Tanzweisen dieser Suiten ist ein Stück einer versunkenen Welt von Grazie und Eleganz in unsere Zeit hinübergerettet. Sie sind ideale musikalische Darstellungen der Rokokozeit. Der Reiz dieser Stücke beruht in der Vollendung, mit der Kraft und Anmut sich in ihnen durchdringen.“ („J. S. Bach“, Wiesbaden 1960, S. 354)

 

 

Kantate „O holder Tag, erwünschte Zeit“ BWV 210

1. Rezitativ

O holder Tag, erwünschte Zeit, willkommen frohe Stunden, ihr bringt ein Fest, das uns erfreut, weg, Schwermut, weg, weg, Traurigkeit, der Himmel, welcher vor uns wachet, hat euch zu unsrer Lust gemachet; drum lasst uns fröhlich sein, wir sind von Gott darzu verbunden, uns mit den Frohen zu erfreun.

2. Arie

Spielet, ihr beseelten Lieder, werfet die entzückte Brust in die Ohnmacht sanfte nieder. Aber durch der Saiten Lust stärket und erholt sie wieder.

3. Rezitativ

Doch haltet ein, ihr muntern Saiten; denn bei verliebten Eheleuten soll´s stille sein. Ihr harmoniert nicht mit der Liebe; denn eure angebornen Triebe verleiten uns zur Eitelkeit, und dieses schickt sich nicht zur Zeit. Ein frommes Ehepaar will lieber zu dem Dankaltar mit dem Gemüte treten und ein beseeltes Abba (Vaterunser) beten, es ist vielmehr im Geist bemüht und dichtet in der Brust ein angenehmes Lied.

4. Arie

Ruhet hie, matte Töne, matte Töne, ruhet hie. Eure zarte Harmonie ist vor (für) die beglückte Eh´ nicht die rechte Panazee (Heilmittel).

5. Rezitativ

So glaubt man denn, dass die Musik verführe und gar nicht mit der Liebe harmoniere? O nein! Wer wollte denn nicht ihren Wert betrachten, auf den so hohe Gönner achten? Gewiss, die gütige Natur zieht uns von ihr auf eine höh´re Spur, sie ist der Liebe gleich, ein großes Himmelskind, nur dass sie nicht, als wie die Liebe, blind, sie schleicht in alle Herzen ein und kann bei hoh und niedern sein, sie lockt den Sinn zum Himmel hin und kann verliebten Seelen des Höchsten Ruhm erzählen. Ja, heißt die Liebe sonst weit stärker als der Tod, wer leugnet? Die Musik stärkt uns iin Todes Not. O wundervolles Spiel, dich, dich verehrt man viel; doch was erklingt dort vor ein Klagelied, das den geschwinden Ton beliebter Saiten flieht?

6. Arie

Schweigt, ihr Flöten, schweigt, ihr Töne; denn ihr klingt dem Neid nicht schöne, eilt durch die geschwärzte Luft, bis man euch zu Grabe ruft, schweigt, ihr Flöten, schweigt, ihr Töne.

7. Rezitativ

Was Luft, was Grab? Soll die Musik verderben, die uns so großen Nutzen gab, soll so ein Himmelskind ersterben, und zwar für eine Höllenbrut? O nein! Das kann nicht sein; drum auf, erfrische deinen Mut, die Liebe kann vergnügte Saiten gar wohl vor ihrem Throne leiden. Indessen lass dich nur den blassen Neid verlachen, was wird sich dein Gesang aus Satans Kindern machen? Genug, dass dich der Himmel schützt, wenn sich ein Feind auf dich erhitzt, getrost, es leben noch Patronen, die gern bei deiner Anmut wohnen, und einen solchen Mäzenat sollst du auch itzo in der Tat an seinem Hochzeitsfest verehren, wohlan, lass deine Stimme hören.

8. Arie

Großer Gönner, dein Vergnügen muss auch unsern Klang besiegen; denn du verehrst uns deine Gunst, unter deinen Weisheitsschätzen kann dich nichts so sehr ergötzen als der süße Töne Kunst.

9. Rezitativ

Hochteurer Mann, so fahre ferner fort, der edlen Harmonie wie itzt geneigt zu bleiben, so wird sie dir dereinst die Traurigkeit vertreiben, so wird an manchem Ort dein wohlverdientes Lob erschallen, dein Ruhm wird wie ein Demantstein, ja, wie ein fester Stahl beständig sein, bis dass er in der ganzen Welt erklinge. Indessen gönne mir, dass ich bei deiner Hochzeit Freude und ein wünschend Opfer zubereite und nach Gebühr dein künftig Glück und Wohl besinge.

10. Arie

Seid beglückt, edle beide, edle beide, seid beglückt. Beständige Lust erfülle die Wohnung, vergnüge die Brust, bis dass euch die Hochzeit des Lammes erquickt.

 

Diese Kantate zählt zu den „weltlichen“ Kantaten Bachs, was besonders in vorliegenden Fall nicht heißt, dass keine geistlichen Bezüge vorkommen, sondern dass der Aufführungsort nicht die Kirche und der Rahmen nicht eine gottesdienstliche Handlung war.

Von den weltlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs sind weit mehr verlorengegangen als von seinen geistlichen Werken. Etwa fünfzig Titel sind uns bekannt, von mehr als der Hälfte jedoch kennen wir nur die Texte und nicht die Musik. Es dürften jedoch mehr gewesen sein. Sie „zählen seit jeher unter die echten Stiefkinder der Bachschen Vokalmusik“ (so der Bach-Forscher Christoph Wolff in „Johann Sebastian Bachs weltliche Kantaten“, Stuttgart/Weimar/Kassel 1997, S. 8). Sie sind weit weniger bekannt und werden viel seltener aufgeführt als die geistlichen Kantaten. Man kennt einige Sätze von ihnen aus geistlichen Werken, in die sie Bach im Parodieverfahren mit neuem Text integriert hat (so z. B. einige Teile des „Weihnachtsoratoriums“).

Die Kantate BWV 210 war für die Hochzeitsfeier eines unbekannten Paares gedacht. Aus dem Text geht lediglich hervor, dass der Bräutigam nicht nur ein „Gönner“, sondern auch ein „Kenner“ (und nicht nur dilettantischer Liebhaber) der Musik war und diese unter all seinen „Weisheitsschätzen“ an erster Stelle stand. So ist es verständlich, dass Bach hier das ganze Können seiner reifen Meisterschaft aufbot, weil er sich vom Adressaten verstanden fühlte. Das Widmungsexemplar zählt zu den schönsten Reinschriften von Bachs Hand.

Der Bach-Forscher Peter Wollny schreibt in seinem Beitrag „Solokantaten und Solosätze“ in „Die Welt der Bach-Kantaten“ Bd. 2 (Stuttgart/Kassel 1997, S. 193 f.): „Unter den erhaltenen Solokantaten nimmt BWV 210/210a den Rang eines Favoritstücks des Komponisten ein. Bach hat dieses Werk offenbar höher geschätzt als jede andere weltliche Kantate, und trotz einer vergleichsweise schlechten Quellenlage lassen sich nicht weniger als fünf Aufführungen in mindestens drei verschiedenen Fassungen nachweisen. Eine nicht erhaltene erste Fassung entstand vor 1729; auf sie geht die durch Parodie enstandene und am 18. Januar 1729 aufgeführte Huldigungsmusik „O angenehme Melodei“ BWV 210a zurück, die später in anderem Zusammenhang noch mindestens zweimal aufgeführt wurde. Um 1740 schuf Bach die wiederum auf die Urfassung zurückgehende Kantate „O holder Tag, erwünschte Zeit“ BWV 210, die möglicherweise in Zusammenhang mit der Hochzeit eines Mitglieds der mit Bach befreundeten Familie Bose steht. Einen Satz aus diesem Kantatenkomplex, die pastose cis-Moll-Arie „Großer Gönner, dein Vergnügen“ BWV 210/8, verwendete Bach auch noch in einem anderen Kontext, nämlich – in einer um einen Ganzton nach unten transponierten und für Tenor eingerichteten Version – in der 1737 aufgeführten großbesetzten Huldigungsmusik „Angenehmes Wiederau“ BWV 30a. – Auch in Bezug auf die außergewöhnlich hohen technischen Anforderungen an die Singstimme und Instrumente nimmt der Werkkomplex BWV 210/210a eine Sonderstellung ein. Die Kantate bildet gleichsam das weltliche Gegenstück zu der ebenfalls für Sopran gesetzten, äußerst virtuosen geistlichen Solokantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ BWV 51 aus dem Jahre 1730. In BWV 210 werden der Singstimme schwierige Passagen und Koloraturen abverlangt, die nicht weniger als dreimal den Spitzenton cis´´´ erreichen und ein beträchtliches Maß an Ausdruckskraft und Gestaltungsvermögen voraussetzen. Gleichermaßen anspruchsvoll ist die weiträumige Anlage der Kantate mit nicht weniger als fünf ausgedehnten und durch Rezitative eingeleiteten Arien mit jeweils geändertem Tempo, Metrum und Charakter.“

Rainer Noll

 

Zu den Ausführenden:

Eva Lebherz-Valentin, Sopran,

studierte in Frankfurt/M Gesang, Klavier und Oboe an der dortigen Musikhochschule. Seit 1988 wohnt sie in Heidelberg und lebt von ihrer Konzerttätigkeit im In- und Ausland. Neben dem allgemein bekannten Repertoire (von Bachs Passionen bis zu Haydns „Schöpfung“ und Verdis „Requiem“) befasst sie sich ausgiebig mit der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts sowie der Zeitgenössischen Musik.

Zahlreiche CD- Produktionen mit außergewöhnlichen Programmen aus Mittelalter, Renaissance, Klassik und Moderne sowie Live- Konzertmitschnitte, auch von Rundfunk und Fernsehen, zeugen von ihrem untrügerischen musikalischen Stilgefühl.

 

Henner Eppel, Flöte

Nach dem Abitur Musikstudium in Frankfurt am Main, Konzertexamen 1971. Soloflötist in Würzburg, danach im Philharmonischen Orchester Heidelberg. Lehraufträge an den Musikhochschulen Würzburg, Mannheim-Heidelberg und Frankfurt – seit 1994 Professor an der Musikhochschule in Frankfurt. Konzerte in Deutschland, im europäischen Ausland, Ägypten, den USA und Japan. Zahlreiche Rundfunkaufnahmen und Noteneditionen.

 

Martin Nitz, Cembalo,

geboren in Oldenburg; Besuch des Humanistischen Gymnasiums; nach dem Abitur Pädagogik-Studium an der damaligen PH (jetzt Universität) in Oldenburg (Hauptfach Musik) mit Abschluss Staatsexamen; Anschluss-Studium der Schulmusik an der Hamburger Musikhochschule (Hauptfächer: Klavier und Komposition; daneben Blockflöten- und Cembalostudium sowie Aufführungspraxis Alter Musik). 1972 Lehrauftrag für Blockflöte an der Hochschule für Musik. 1973 Cembalodiplom; 1974 Abschluss des Schulmusikstudiums. Seit 1975 Professor und hauptamtlicher Dozent für Blockflöte. Ab 1980 rege Herausgebertätigkeit für Blockflötenmusik des Früh- und Hochbarock bei verschiedenen deutschen, schweizer und österreichischen Verlagen

 

Rainer Noll , Dirigent,

wurde am 29. Januar 1949 in Wiesbaden geboren, einer alten Bauernfamilie entstammend, deren Hof in Wiesbaden – Nordenstadt (Erbacher-Hof) er renovierte und wo er heute auch lebt. Seit 1990 richtet er die beliebten „Torhauskonzerte“ auf diesem Anwesen aus.

Kurzbiografie: 1964 – 1968 Organist in Nordenstadt; nach dem Abitur an der Gutenbergschule in Wiesbaden zunächst Physik- und Mathematik-Studium in Mainz und Hamburg, dann Musikstudium in Siena (1967), Hamburg und Frankfurt am Main (A- Prüfung/Staatsexamen für Kirchenmusiker); seit 1972 hauptamtlicher Kantor und Organist an St. Martin in Kelsterbach; 1979 – 1993: Gründung und Leitung der „Kantorei St. Martin“. Seit 1974 Dozent an der Musikschule Kelsterbach; 1976 liturgiewissenschaftliche Arbeit über „Die Entwicklung des Eucharistischen Hochgebetes“;

1979 – 1992 zunächst stellvertretender, dann Vorsitzender der MAV des Dekanates Rüsselsheim sowie Gründungs- und Vorstandsmitglied der „Historischen Werkstatt Nordenstadt“; 1981/82 künstlerischer Leiter der „Airport Chapel Concerts“ des Rhein-Main Flughafens Frankfurt. Seit seinem 10. Lebensjahr beschäftigt er sich intensiv mit Albert Schweitzer. Er entwarf 1973, inspiriert vom Orgelideal Schweitzers, die neue Orgel der Evangelischen Kirche in Wiesbaden-Bierstadt und begründete die dortige Konzerttradition. 1987 – 1993: Gründungsmitglied und Mitglied des „Wissenschaftlichen Beirates“ der „Wissenschaftlichen Albert-Schweitzer-Gesellschaft“; 1990 Leitung des Chores der Oranier-Gedächtniskirche in Wiesbaden, seit 1995 projektweise Leiter der „Idsteiner Vokalisten“, die er bereits zu vielbeachteten Höhepunkten führte. Konzerte, Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen, Vorträge und Veröffentlichungen (u. a. über Ethik und Musikauffassung Albert Schweitzers) im In- und Ausland; 1993: USA-Tournee; Juni 2001: Konzertreise nach Tschechien; 1982 – 1989 ordnete er zudem den nachgelassenen Notenbestand in Schweitzers Haus in Günsbach/Elsaß und legte eine Kartei zur wissenschaftlichen Auswertung an. Im Herbst 1991 und Frühjahr 1992 erfolgte die gleiche Arbeit an dem von Schweitzer eingespielten Schallplatten, was eine Korrektur und Ergänzung der von Professor E. Jacobi und ihm 1975 erstellten Diskographie beinhaltete.

Darüber hinaus gilt sein Interesse besonders philosophischen und theologischen Problemkreisen. Er nimmt durch die Ausgestaltung und Leitung des jährlich seit 28 Jahren stattfindenden „Bach-Konzertes“, der „Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu“ am Karfreitag sowie der vor 23 Jahren von ihm begründeten „Abendmusik zum Weihnachtsmarkt“ einen bedeutenden Platz im Kulturleben der Stadt Kelsterbach und der ganzen Region ein.

Progr.BK2005

Bachkonzert 2006

Virtuose Solokonzerte von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Konzert E-dur BWV 1042

für Violine, Streicher und Basso continuo

Allegro – Adagio – Allegro assai

Konzert g-moll BWV 1058

für Cembalo, Streicher und Basso continuo

Allegro – Andante – Allegro assai

Konzert a-moll BWV 1041

für Violine, Streicher und Basso continuo

Allegro – Andante – Allegro assai

Konzert d-moll BWV 1043

für zwei Violinen, Streicher und Basso continuo

Vivace – Largo ma non tanto – Allegro

Die Ausführenden:

Teresa Kammerer und Jeanette Pitkevica, Violine

Martin Nitz, Cembalo

Mitglieder des Heidelberger Kantatenorchesters:

Olga Levinson und Ingrid Kammerer – Violine I + II

Kascia Gasztecka – Viola

Valeria Lo Giudice – Violoncello

Mark Beers – Kontrabass

Leitung: Rainer Noll

Zum Programm:

Im diesjährigen Bach-Konzert werden virtuose Solokonzerte erklingen, die Bach als Komponisten weltlicher Konzertmusiken zeigen. Hier wird deutlich, dass Bach nicht nur der komponierende Kirchenmusiker, sondern generell musikalisch auf der Höhe seiner Zeit war.

Solche Konzertmusiken brauchte Bach, als er 1729 für über zehn Jahre das studentische Collegium Musicum übernahm, das 1701 von Georg Philipp Telemann gegründet worden war. Man nannte es von da an das „Bachische“ Collegium.

1736 vermerkt Mizlers „Musikalische Bibliothek“ dazu: „Die Glieder, so diese Musikalischen Concerten ausmachen, bestehen mehrerentheils aus den allhier Herrn Studirenden, und sind immer gute Musici unter ihnen, so daß öffters, wie bekandt, nach der Zeit berühmte Virtuosen aus ihnen erwachsen.“ Da es überdies „jedem Musico vergönnet (war), sich in diesen Musikalischen Concerten öffentlich hören zu lassen“, hatte Bach den zusätzlichen Reiz, mit reisenden Virtuosen von internationalem Format zusammenzuarbeiten. Lobend wird auch das Publikum erwähnt: „…und sind auch mehrerentheils solche Zuhörer vorhanden, die den Werth eines geschickten Musici zu beurtheilen wissen.“ Hier liegt der Keim für ein in Deutschland sich entwickelndes öffentliches Konzertleben.

Musiziert wurde im Zimmermannschen Kaffeehaus, auf dem Programm standen weltliche Vokal- und Instrumentalwerke aller Art. Im Sommer fanden die Konzerte im Wirtsgarten statt, jeden Mittwoch um 16 Uhr. Im Winter spielte man im Kaffeehaus, regulär freitags von 20 bis 22 Uhr, zu Messezeiten sogar zweimal wöchentlich, dienstags und freitags. Insgesamt zeichnete Bach hier für mehr als fünfhundert zweistündige Programme verantwortlich. „Zur Bürde des Kantorats standen diese Nebenbeschäftigungen im reziprok proportionalen Verhältnis: je weniger Interesse Bach an der Weiterentwicklung der Kirchenmusik und ihres Repertoires hatte, desto mehr schienen ihn die weltlichen Verpflichtungen anzuziehen.“ (Karl Böhmer, Programmheft der Wiesbadener Bachwochen 1995, S. 32)

Von Bachs Konzerten für Solovioline und Orchester sind nur zwei erhalten: das in E-dur BWV 1042 und das in a-moll BWV 1041. Die neuere Forschung geht davon aus, dass diese Konzerte in Leipzig für das Bachische Collegium Musicum entstanden sind und nicht schon in Köthen, ebenso wie das Konzert für zwei Violinen und Orchester d-moll BWV 1043. Formal wurzeln diese Konzerte in Bachs gründlichem Studium italienischer Musik in seiner Weimarer Zeit, speziell der Musik Vivaldis. Typisch ist der effektvolle Wechsel von Solo- und Tuttipassagen.

Bach bearbeitete für seine Kaffeehauskonzerte seine Violinkonzerte und andere Konzerte für 1-4 Cembali und Orchester, wohl für sich und seine hochmusikalischen Söhne als Solisten. Zudem berichtet 1733 eine Zeitungsmeldung über „ein neuer Clavicymbel, dergleichen allhier noch nicht gehöret worden“ – eine weitere Attraktion im Zimmermannschen Kaffeehaus. Damit schuf er die in den folgenden Jahrhunderten die Musikwelt so beherrschende Form des Klavierkonzertes, denn bis dahin wurde das Cembalo nur solistisch oder als Begleitinstrument verwendet, nie aber als Soloinstrument mit Orchester.

Das Besondere des heutigen Programmes ist, dass wir dem Violinkonzert a-moll, also dem Original, Bachs eigene Bearbeitung dieses Konzertes für Cembalo und Orchester in g-moll BWV 1058 voranstellen. Dazu Ruth Seiberts im Programmheft der Wiesbadener Bachwochen 1997, S. 27f.: „Zunächst transponierte Bach das gesamte Werk [einen Ton tiefer], um dem Tonumfang der verschiedenen Solo-Instrumente gerecht zu werden (das e´´´ fehlt auf dem Cembalo, kommt aber in der Geigenstimme vor). Dies bringt mit sich, dass in anderen Stimmen des Ripienos die Untergrenze ihres Tonumfangs unterschritten werden würde, somit mussten einige Passagen des Ripieno wieder nach oben transponiert werden. Einige der wirkungsvollen schnellen Figuren der Violine sind im Cembalo häufig bedeutend weniger wirkungsvoll oder aber kaum ausführbar. Sie mussten umgeschrieben werden in cembalistische Spielfiguren. Neue Stimmen kamen hinzu, vor allem für die linke Hand. In der Tat griff Bach hier auf die bereits existierende Basso Continuo-Stimme zurück, die der Cembalist vor allem in den Tutti-Partien mitspielte. In den Soli jedoch erhielt die Unterstimme mehr freien Raum, sie umspielte den Bass oder bewegte sich selbständig figurativ. Zur Auffüllung traten entweder ausharmonisierende Akkorde oder auch einzelne weitere Stimmen hinzu. Im Vergleich zum Original ergibt sich somit eine starke Verdichtung des Satzes, eine Verdichtung vor allem des Soloparts, die vielleicht den plastischen Kontrast, das Gegenüberstellen von Einzelstimme und Tutti minderte, um diesen Preis aber auch, Bachs Neigung gemäß, ein Mehr an Polyphonie erzielte.“

Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 in Eisenach geboren. 1703 – 07 Organist in Arnstadt. 1707 – 08 Organist an St. Blasius in Mühlhausen. 1708 – 17 Hoforganist, Cembalist und Violinist (seit 1714 auch Hofkonzertmeister) in Weimar. 1717 – 23 Hofkapellmeister in Köthen. Ab 1723 Kantor der Thomaskirche und „Kirchenmusikdirektor“ der Stadt Leipzig, wo er am 28. Juli 1750 starb.

Rainer Noll

 

Zu den Ausführenden:

Teresa Kammerer, Violine,

geb. 1978 in Heidelberg, erhielt ihren ersten Geigenunterricht im Alter von fünf Jahren u. a. bei Prof. Valery Gradow und Prof. Petru Munteanu. 1995 wurde sie Jungstudentin an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf bei Prof. Ida Bieler. Nach dem Abitur 1998 am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg begann sie ihr Studium bei Prof. Stephan Picard an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Dieses schloss sie im Juli 2003 mit dem Diplom ab. An der Indiana University in Bloomington, Indiana setzte sie ihr Studium bei Prof. Mauricio Fuks fort. Für das Studienjahr 2003/04 erhielt sie ein Stipendium der deutsch-amerikanischen Fulbright Kommission und für das Jahr 2004/05 ein Stipendium des DAAD. Seit Oktober 2005 befindet sie sich im Konzertexamen bei Prof. Mihaela Martin an der Musikhochschule Köln.

Neben ersten Preisen beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in den Kategorien „Violine Solo“, „Streicherkammermusik“ und „Klavierkammermusik“ wurde sie 2002 mit einem dritten Preis beim XII. Violinwettbewerb der Ibolyka-Gyarfas-Stiftung in Berlin und 2003 mit einem zweiten Preis beim Internationalen Violinwettbewerbs Bled, Slowenien ausgezeichnet.

Als Mitglied des Kammerer Trios und des Arion Quartetts führten Konzerte sie in die zentralasiatischen Republiken, in die Alte Oper Frankfurt, zum Marler Debüt und auf die Expo Hannover sowie zum Heidelberger Frühling, den Festspielen Mecklen­burg-Vorpommern und dem Oleg-Kagan-Musikfest Kreuth.

Teresa Kammerer war Mitglied des Landesjugendorchester Baden-Württem­berg, des Bundesjugendorchester und des European Union Youth Orchestra. Während ihres Studiums in Berlin spielte sie mehrmals als Aushilfe im Berli­ner Philharmonischen Orchester.

Kammermusik- und Meisterkurse besuchte sie u. a. von Norbert Brainin, Eberhard Feltz, Franco Gulli, Ulf Hoelscher, Wolfgang Marschner, Igor Ozim und Antje Weithaas.

Seit März 2001 ist sie Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Von der Spielzeit 2006/07 an spielt sie im Konzerthausorchester Berlin.

 

Jeanette Pitkevica, Violine,

05.12.1982 in Riga/ Lettland geboren. Erster Geigenunterricht mit 4 Jahren. 1988 Eintritt in Prof. Juris Schvolkovskis Violinklasse (Schule für Hochbegabte der Musik-Akademie Lettland). 2001 Abschluss mit Auszeichnung. Seit April 2002 Studium der Violine (Abschlussziel Künstlerische Reifeprüfung) bei Prof. Walery Gradow (Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim).

Teilnahme an vielen Wettbewerben, Orchesterprojekten und Kursen: u.a. Wettbewerb der Musikschulen Lettlands (1.Preis); Internationalen B. Dvarionas-Wettbewerb, Vilnius/Litauen (Diplom-Auszeichnung); Internationaler Jascha-Heifetz-Wettbewerb, Litauen (Stipendium-Auszeichnung); „Musicum Collegium“ in Pommersfelden; Festival-Orchester bei Helmuth Rilling (Internationale Bachakademie Stuttgart); Orchesterprojekt-Solovioline mit Prof. Hideko Kobayashi und Prof. Micheal Flaksman (Mannheim); Violin-Meisterkurs bei Prof. Robert Kanetti (Israel); Kammermusik-Meisterkurs bei Prof. Anja Lechner (Bad Homburg); Konzert-Meister-Forum bei Prof. Walery Gradow (Mannheim). Seit 2005 Stipendiatin Wilhelm-Müller-Stiftung, Mannheim.

Seit 2005 ist Jeanette Pitkevica neben vielen anderen Engagements regelmäßige Solistin bei Konzerten mit Peter Schumann in Heidelberg, den Starkenburg Philharmoniker unter der Leitung von Günther Stegmüller sowie dem Stamitz-Orchester Mannheim unter der Leitung von Prof. Klaus Eisenmann.

 

Martin Nitz, Cembalo,

geboren in Oldenburg; Besuch des Humanistischen Gymnasiums; nach dem Abitur Pädagogik-Studium an der damaligen PH (jetzt Universität) in Oldenburg (Hauptfach Musik) mit Abschluss Staatsexamen; Anschluss-Studium der Schulmusik an der Hamburger Musikhochschule (Hauptfächer: Klavier und Komposition; daneben Blockflöten- und Cembalostudium sowie Aufführungspraxis Alter Musik). 1972 Lehrauftrag für Blockflöte an der Hochschule für Musik. 1973 Cembalodiplom; 1974 Abschluss des Schulmusikstudiums. Seit 1975 Professor und hauptamtlicher Dozent für Blockflöte. Ab 1980 rege Herausgebertätigkeit für Blockflötenmusik des Früh- und Hochbarock bei verschiedenen deutschen, schweizer und österreichischen Verlagen

 

Rainer Noll, Dirigent,

wurde am 29. Januar 1949 in Wiesbaden geboren, einer alten Bauernfamilie entstammend, deren Hof in Wiesbaden – Nordenstadt (Erbacher-Hof) er renovierte und wo er heute auch lebt. Seit 1990 richtet er die beliebten „Torhauskonzerte“ auf diesem Anwesen aus.

Kurzbiografie: 1964 – 1968 Organist in Nordenstadt; nach dem Abitur an der Gutenbergschule in Wiesbaden zunächst Physik- und Mathematik-Studium in Mainz und Hamburg, dann Musikstudium in Siena (1967), Hamburg und Frankfurt am Main (A- Prüfung/Staatsexamen für Kirchenmusiker); seit 1972 hauptamtlicher Kantor und Organist an St. Martin in Kelsterbach; 1979 – 1993: Gründung und Leitung der „Kantorei St. Martin“. Seit 1974 Dozent an der Musikschule Kelsterbach; 1976 liturgiewissenschaftliche Arbeit über „Die Entwicklung des Eucharistischen Hochgebetes“;

1979 – 1992 zunächst stellvertretender, dann Vorsitzender der MAV des Dekanates Rüsselsheim sowie Gründungs- und Vorstandsmitglied der „Historischen Werkstatt Nordenstadt“; 1981/82 künstlerischer Leiter der „Airport Chapel Concerts“ des Rhein-Main Flughafens Frankfurt. Seit seinem 10. Lebensjahr beschäftigt er sich intensiv mit Albert Schweitzer. Er entwarf 1973, inspiriert vom Orgelideal Schweitzers, die neue Orgel der Evangelischen Kirche in Wiesbaden-Bierstadt und begründete die dortige Konzerttradition. 1987 – 1993: Gründungsmitglied und Mitglied des „Wissenschaftlichen Beirates“ der „Wissenschaftlichen Albert-Schweitzer-Gesellschaft“; 1990 Leitung des Chores der Oranier-Gedächtniskirche in Wiesbaden, seit 1995 projektweise Leiter der „Idsteiner Vokalisten“, die er bereits zu vielbeachteten Höhepunkten führte. Konzerte, Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen, Vorträge und Veröffentlichungen (u. a. über Ethik und Musikauffassung Albert Schweitzers) im In- und Ausland; 1993: USA-Tournee; Juni 2001: Konzertreise nach Tschechien; 1982 – 1989 ordnete er zudem den nachgelassenen Notenbestand in Schweitzers Haus in Günsbach/Elsaß und legte eine Kartei zur wissenschaftlichen Auswertung an. Im Herbst 1991 und Frühjahr 1992 erfolgte die gleiche Arbeit an dem von Schweitzer eingespielten Schallplatten, was eine Korrektur und Ergänzung der von Professor Erwin R. Jacobi (Zürich) und ihm 1975 erstellten Diskographie beinhaltete.

Darüber hinaus gilt sein Interesse besonders philosophischen und theologischen Problemkreisen. Er nimmt durch die Ausgestaltung und Leitung des jährlich seit 29 Jahren stattfindenden „Bach-Konzertes“, der „Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu“ am Karfreitag sowie der vor 24 Jahren von ihm begründeten „Abendmusik zum Weihnachtsmarkt“ einen bedeutenden Platz im Kulturleben der Stadt Kelsterbach und der ganzen Region ein.

Progr.BK2006[1]

Grandioses Bach-Konzert als Doppeljubiläum

Erschienen am 8.8.2008 in „Kelsterbach Aktuell“

Feierte man letztes Jahr das 30. Bach-Konzert unter Kantor Rainer Nolls Leitung und zugleich dessen 35jähriges Wirken in Kelsterbach, so stand das diesjährige Bach-Konzert unter dem Zeichen „450 Jahre evangelisches Kelsterbach“ und „Rainer Noll 40 Jahre Kirchenmusiker“.

Das Programm hätte nicht besser auf den Anlass abgestimmt sein können. Mit glanzvoll-festlichen Trompeten- und Paukenklängen eröffnete Bachs Ouvertüre D-dur BWV 1069 den Abend, gespielt von den Jungen Kammersinfonikern Hessen unter Nolls ebenso kraftvoller wie vergeistigter Leitung. Aber bereits bei den folgenden Tänzsätzen dieser Orchestersuite wich jede steife Feierlichkeit anmutiger Eleganz, bisweilen gesteigert zu pointiert herausgearbeiteten humoresken und sogar frechen Einwürfen.

Ein ganz außerordentlicher Glücksfall war die Wahl der vier Vokalsolisten Eva Lebherz-Valentin (Heidelberg), Sopran, Markus Koch (Heidelberg), Countertenor, Georg Poplutz (Frankfurt), Tenor, und Erik Frithjof (Graz), Bass. Mühelos und auf ebenbürtigem Niveau bewältigten sie Ensemble- wie Soloaufgaben, so den schwierigen Eingangschor der Kantate „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ BWV 137, den noch schwierigeren der Kantate „Ein feste Burg ist unser Gott“ BWV 80, darin die furiose „Teufelsstrophe“, und die schlichten Schlusschoräle ebenso wie alle Arien, Duette und Rezitative. Das Heidelberger Kantatenorchester, mit dem Noll seit 1995 die Bach-Konzerte gestaltete, konnte erstmalig aus terminlichen Gründen  leider nicht spielen. Nicht unerwähnt bleiben darf die souveräne Leistung von Olaf Joksch, der kurzfristigst für den erkrankten Hamburger Prof. Martin Nitz an der Continuo-Orgel eingesprungen war.

Die beiden aufgeführten Kantaten basieren auf zwei der bekanntesten Choräle, die so auch dem ungeübteren Konzertbesucher einen willkommenen Leitfaden boten. Wichtig war Noll auch wieder der ökumenische Gedanke: „Steht die Kantate »Ein feste Burg ist unser Gott«  BWV 80 für das Reformationsereignis, so soll die Kantate »Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren« BWV 137 mit ihrem heute ökumenisch gebrauchten Choral das Verbindende und Konfessionsübergreifende repräsentieren und im gemeinsamen Lobpreis die Trennung überwinden helfen.“  So las man es im hochinformativen Programmheft, auf dessen besondere Qualität Stadtrat Ernst Freese in seiner bewegten Dankesrede hinwies. Auch Erster Stadtrat Manfred Ockel würdigte Nolls Gesamtleistung, während Vertreter von Dekanat und Landeskirche fehlten.

Würdiger konnten „450 Jahre evangelisches Kelsterbach“ musikalisch nicht begangen werden. Die beglückten Zuhörer durften einen Blick in den Himmel erleben. Und es zeigte sich hier noch einmal konzentriert, wer dieser seit 40 Jahren unbeirrt an seiner Vervollkommnung arbeitende Kirchenmusiker Rainer Noll ist: nicht nur ein Künstler hohen Grades, sondern eine Persönlichkeit des Geistes- und Kulturlebens schlechthin, wie es gerade Manfred Ockel hervorhob.

Eckard B. Gandela