Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Ouvertüre D-dur BWV 1069
für Trompeten, Pauken, Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo
Ouvertüre C-dur BWV 1066
für Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo
Ouverture – Courante – Gavotte I und II – Menuet I und II – Bourrée I und II – Passepied I und II
„Jauchzet Gott in allen Landen“ BWV 51
Kantate für Sopran, Trompeten, Pauken, Fagott, Streicher und Basso continuo
in der Bearbeitung von Wilhelm Friedemann Bach (1710 – 1784)
(Arrangement: Rainer Noll)
Ouvertüre D-dur BWV 1068
für Trompeten, Pauken, Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo
Ouverture – Air – Gavotte I und II – Bourrée – Gigue
Das diesjährige 30. Bach-Konzert feiern wir ausgiebig „mit Pauken und Trompeten“. Es werden Werke geboten, die selbst bei Bach an Glanz und Festlichkeit kaum zu überbieten sind.
Von Bach sind vier Ouvertüren (Suiten) für Orchester überliefert. Ob er weitere komponiert hat, bleibt Spekulation. Es handelt sich eigentlich um Orchestersuiten, also eine Folge von stilisierten Tanzsätzen. Als Einleitung ist diesen eine ausladende Ouvertüre nach französischem Vorbild in feierlich-punktiertem Rhythmus und mit fugiertem Mittelteil vorangestellt, die schließlich als pars pro toto dem Ganzen seinen Namen gab. Mit der Form dieser Folge von Tanzsätzen bewegt Bach sich ganz in traditionellen Bahnen, während er mit seinen Solo-Konzerten zum Wegbereiter dieser neuen Gattung wurde.
So dient zur Eröffnung des Konzertes tatsächlich nur die Ouvertüre, also der erste Satz, der Orchestersuite BWV 1069, während die beiden Suiten BWV 1066 und 1068 vollständig musiziert werden (die Suite h-moll BWV 1067 für Solo-Flöte und Streicher kam im Bach-Konzert 2005 hier zur Aufführung).
Wann genau diese Suiten (Ouvertüren) entstanden sind, ob schon in Bachs Jahren als Hofkapellmeister zu Köthen (1717 – 1723) oder danach in Leipzig, muss offen bleiben. Sie sind uns bei sehr geringem autographen Anteil nur in späteren Abschriften, und auch da nicht als Partitur, sondern nur als Einzelstimmenmaterial, überliefert. Von der Suite C-dur BWV 1066 existiert ein Stimmensatz wahrscheinlich von 1723/24. Sie dürfte somit die älteste und einzige im Originalzustand erhaltene sein. Die Quellenlage der Suite D-dur BWV 1069 ist so spärlich, dass man sie erst für echt hielt, als man die Weihnachtskantate BWV 110 „Unser Mund sei voll Lachens“ entdeckte, deren Einleitungssatz eine Umarbeitung der Ouvertüre ist (Hinzufügung von Trompeten und Pauken, Choreinbau in den fugierten Mittelteil). Diese Kantate wurde am 1. Weihnachtstag des Jahres 1725 aufgeführt. Von der Suite D-dur BWV 1068, die unser Konzert beschließt, existiert ein Stimmensatz von 1730/31. Auch hier ist offensichtlich, dass Bach die Trompeten und Pauken erst später wie eine zweite Schicht über eine Erstfassung gelegt hat, wohl nach dem gelungenen Experiment mit BWV 1069.
Wozu Bach diese Festmusiken brauchte, ist ungewiss. Sicher dürfte lediglich sein, dass er sie wieder aufführte, als er 1729 für über zehn Jahre das studentische Collegium Musicum übernahm, das 1701 von Georg Philipp Telemann gegründet worden war. Man nannte es von da an das „Bachische“ Collegium.
1736 vermerkt Mizlers „Musikalische Bibliothek“ dazu: „Die Glieder, so diese Musikalischen Concerten ausmachen, bestehen mehrerentheils aus den allhier Herrn Studirenden, und sind immer gute Musici unter ihnen, so daß öffters, wie bekandt, nach der Zeit berühmte Virtuosen aus ihnen erwachsen.“ Da es überdies „jedem Musico vergönnet [war], sich in diesen Musikalischen Concerten öffentlich hören zu lassen“, hatte Bach den zusätzlichen Reiz, mit reisenden Virtuosen von internationalem Format zusammenzuarbeiten. Lobend wird auch das Publikum erwähnt: „…und sind auch mehrerentheils solche Zuhörer vorhanden, die den Werth eines geschickten Musici zu beurtheilen wissen.“ Hier liegt der Keim für ein in Deutschland sich entwickelndes öffentliches Konzertleben.
Musiziert wurde im Zimmermannschen Kaffeehaus, auf dem Programm standen weltliche Vokal- und Instrumentalwerke aller Art. Im Sommer fanden die Konzerte im Wirtsgarten statt, jeden Mittwoch um 16 Uhr. Im Winter spielte man im Kaffeehaus, regulär freitags von 20 bis 22 Uhr, zu Messezeiten sogar zweimal wöchentlich, dienstags und freitags. Insgesamt zeichnete Bach hier für mehr als fünfhundert zweistündige Programme verantwortlich. „Zur Bürde des Kantorats standen diese Nebenbeschäftigungen im reziprok proportionalen Verhältnis: je weniger Interesse Bach an der Weiterentwicklung der Kirchenmusik und ihres Repertoires hatte, desto mehr schienen ihn die weltlichen Verpflichtungen anzuziehen.“ (Karl Böhmer, Programmheft der Wiesbadener Bachwochen 1995, S. 32)
Es war Mendelssohn, der die vier Ouvertüren 1838 im Leipziger Gewandhaus erstmals seit Bachs Tod wieder aufführte (1829 hatte er erstmals wieder die Matthäuspassion dirigiert). Bereits als Elfjähriger spielte er dem über achtzigjährigen Goethe aus der D-dur-Ouvertüre BWV 1068 auf dem Klavier vor. Goethe bemerkte dazu, „es gehe darin so pompös und vornehm zu, dass man ordentlich die Reihe geputzter Leute, die von einer großen Treppe heruntersteigen, vor sich sehe“.
Albert Schweitzer schreibt zu den Ouvertüren: „In den Tanzweisen dieser Suiten ist ein Stück einer versunkenen Welt von Grazie und Eleganz in unsere Zeit hinübergerettet. Sie sind ideale musikalische Darstellungen der Rokokozeit. Der Reiz dieser Stücke beruht in der Vollendung, mit der Kraft und Anmut sich in ihnen durchdringen.“ („J. S. Bach“, Wiesbaden 1960, S. 354)
BWV 51 Jauchzet Gott in allen Landen!
1. Aria
Jauchzet Gott in allen Landen!
Was der Himmel und die Welt
An Geschöpfen in sich hält,
Müssen dessen Ruhm erhöhen,
Und wir wollen unserm Gott
Gleichfalls itzt ein Opfer bringen,
Dass er uns in Kreuz und Not
Allezeit hat beigestanden.
2. Recitativo
Wir beten zu dem Tempel an,
Da Gottes Ehre wohnet,
Da dessen Treu,
So täglich neu,
Mit lauter Segen lohnet.
Wir preisen, was er an uns hat getan.
Muss gleich der schwache Mund von seinen Wundern lallen,
So kann ein schlechtes Lob ihm dennoch wohlgefallen.
3. Aria
Höchster, mache deine Güte
Ferner alle Morgen neu.
So soll vor die Vatertreu
Auch ein dankbares Gemüte
Durch ein frommes Leben weisen,
Dass wir deine Kinder heißen.
4. Choral
Sei Lob und Preis mit Ehren
Gott Vater, Sohn, Heiligem Geist!
Der woll in uns vermehren,
Was er uns aus Gnaden verheißt,
Dass wir ihm fest vertrauen,
Gänzlich uns lass’n auf ihn,
Von Herzen auf ihn bauen,
Dass uns’r Herz, Mut und Sinn
Ihm festiglich anhangen;
Drauf singen wir zur Stund:
Amen, wir werdn’s erlangen,
Glaub’n wir aus Herzensgrund.
5. Aria
Alleluja!
Diese virtuose Kantate wurde höchstwahrscheinlich zum 15. Sonntag nach Trinitatis, dem 17. September des Jahres 1730, komponiert. Bachs eigener Zusatz „et in ogni tempo“ (und zu jeder Zeit) entbindet sie aber von dieser speziellen Verwendung. Der Text ist ein jubelnder Lobpreis und Dank für Gottes Beistand, verbunden mit der Bitte um künftige Treue. Der Textdichter ist unbekannt, den Schluss bildet die Zusatzstrophe (Königsberg, 1549) zu Johann Gramanns Lied „Nun lob, mein Seel, den Herren“, der ein „Alleluja“ angehängt ist. Bei aller Knappheit der Form vereint diese Kantate fünf charakteristische Satzprinzipien des Barock: Konzert (Satz 1), Monodie (Satz 2), Ostinatovariation (Satz 3), Choralbearbeitung (Satz 4) und Fuge (Satz 5).
Die eigentliche Sensation der heutigen Aufführung aber ist, dass das Werk in der unbekannten, noch nicht edierten Fassung des ältesten Bach-Sohnes Wilhelm Friedemann erklingt. Er hat zur Komposition des Vaters eine zweite Trompeten- und eine Paukenstimme dazu komponiert. In mein Arrangement habe ich noch das Fagott einbezogen, wie Bach es sicher auch getan hätte, wenn eines vorhanden war.
Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 in Eisenach geboren. 1703 – 07 Organist in Arnstadt. 1707 – 08 Organist an St. Blasius in Mühlhausen. 1708 – 17 Hoforganist, Cembalist und Violinist (seit 1714 auch Hofkonzertmeister) in Weimar. 1717 – 23 Hofkapellmeister in Köthen. Ab 1723 Kantor der Thomaskirche und „Kirchenmusikdirektor“ der Stadt Leipzig, wo er am 28. Juli 1750 starb.