Zum Andenken an Dr. Werner Ball († 18. Mai 2002), den Gründer, Leiter und Cellisten des Heidelberger Kantatenorchesters seit 41 Jahren.
Hier seine Rede beim Bach-Konzert am 27. Juli 1997 in der St. Martinskirche Kelsterbach anlässlich des 25jährigen Dienstjubiläums von Kantor Rainer Noll (Tonbandnachschrift):
Es ist sicher außergewöhnlich, wenn ein Instrumentalist bei einem Konzert sein Instrument zur Seite legt, aufsteht und spricht, statt zu spielen. Aber diese Besonderheit ist sehr wohl begründet, denn Rainer Noll wirkt nun seit 25 Jahren hier in St. Martin. Sein Lehrer und Freund, der Kirchenmusikdirektor Peter Schumann von Heidelberg, wollte ursprünglich heute hier Orgelcontinuo spielen und wäre jetzt statt meiner von der Orgelbank aufgestanden. Und drittens, statt Herrn Schumann sollte nun ein anderer Mitwirkender an diesem Jubiläumstag neben seinem Instrumentalspiel auch ein kurzes Wort an Sie, die Zuhörer, und an Sie, lieber Herr Noll, richten.
Weshalb nun auch sprechen, da wir durch das Musizieren doch genügend Dank und Anerkennung ausdrücken können? Wir Instrumentalisten spielen heute die Noten, die Johann Sebastian Bach komponiert hat. Was erklingt und wie es erklingt, hängt aber in hohem Maße von der Arbeit, den Fähigkeiten und dem Fleiß des Dirigenten ab. Dazu einige Sätze. Die Programme, die Rainer Noll zusammenstellt, sind inhaltlich bestens überlegt und auf einem zentralen Gedanken zusammengestellt. Zum Beispiel, an Bachs Todestag vor einem Jahr erklangen Kantaten über die Sehnsucht nach seligem Frieden und Erlösung von Sünde und Tod. Im Adventskonzert 1996 wurde die Erwartung, die in dem Lied „Nun komm, der Heiden Heiland“ liegt, in Ausdrucksweisen von mehreren Jahrhunderten musiziert. Und heute werden wir vertraut gemacht mit Texten und Musik, die auf das Leben im Jenseits ausgerichtet sind und das Sterben nicht als Schrecken, sondern als Trost empfinden.
Solche vorzügliche inhaltliche Gestaltung der Programme ist Rainer Noll nur möglich aufgrund seines immensen Wissens über die Literatur. Diese Programme müssen aber auch inhaltlich und musikalisch richtig interpretiert werden, und dafür ist Rainer Noll Experte. Sie sollten sich einmal die Noten ansehen, aus denen wir spielen: Was hat er da alles hineingeschrieben, weil er sehr sicher weiß, wie alles klingen soll! Kurz oder lang, selbstverständlich dem Text angepasst, mit Crescendo oder aber auch verklingend, gebunden oder einzeln gestrichen, bzw. geblasen: alles steht von ihm vermerkt in den Noten, wird von ihm in den Proben noch kommentiert und überzeugt, und wir folgen ihm, denn er ist Experte.
Und er ist auch ein Könner auf der Orgel – wir haben es vorhin gehört. Einem Künstler, der so viel kann, folgen Musiker gerne, besonders, wenn er sie, wie Rainer Noll, auch mitgestalten lässt. Darum setze ich mich nun gerne wieder hinter mein Cello und lasse mich, wie alle anderen Musiker, mit Freuden von unserem Rainer Noll führen, der neben seiner Fähigkeit zur Gestaltung von Konzerten auch in seiner Gemeinde durch seine Musik ermuntern, Trost spenden und Mut machen wird.