Geglückter Bach in beglückender Vollendung

Erschienen in „Kelsterbach Aktuell“ am 12.8.2011

Seit vielen Jahren investiert der Magistrat der Stadt Kelsterbach in das Konzert zu Bachs Todestag in St. Martin, das diesmal am 31. Juli zum 34. Mal unter der Leitung seines Gründers, Kantor Rainer Noll, statt fand. Wieder wurde mehr als deutlich, wie verantwortungsvoll Noll mit den ihm anvertrauten „Pfunden“ wuchert, mit welchem Einsatz und Können er das investierte Geld in ein Vielfaches an künstlerischer Gegenleistung verwandelt (auch Bürgermeister Manfred Ockel brachte seine Wertschätzung allein schon durch seine Anwesenheit zum Ausdruck).

Auf dem abwechslungsreichen Programm standen drei Dialogkantaten von Johann Sebastian Bach, die man der barocken „ars moriendi“ (Sterbekunst) zurechnen kann. Die bedrängte Seele (Sopran)  führt ein Zwiegespräch mit ihrem Geliebten Jesus (Bass), der ihr Trost und Zuversicht zuspricht.

Zur Eröffnung erklang die Kantate „Ach Gott, wie manches Herzeleid“ BWV 58 in feierlichem, punktiertem Rhythmus der französischen Ouvertüre. Über allem schwebte die gerade in der Höhe glasklare, schnörkellose Sopranstimme Birgit Völkers mit der Choralmelodie, während Erik Frithjof (Bass) sich darunter eifrig um die Trostworte bemühte – mit besonders schönem Timbre in hoher Lage. Eine ausgefallene Besetzung hörte man in der folgenden Kantate „Tritt auf die Glaubensbahn“ BWV 152, in der der Hamburger Blockflötenprofessor Martin Nitz zu Oboe, Viola d’amore, Viola da Gamba (beide von Viola und Violoncello adäquat ausgeführt) und Continuo mit betörendem Ton, in dem man die Wärme und Süße von edlem Holz zu vernehmen glaubte, seine kostbare Altblockflöte hören ließ. Auch hier strahlend und anmutig der glockenreine Sopran der Grazer Sopranistin in der Arie „Stein, der über alle Schätze“, und zauberhaft das abschließende Liebesduett „Wie soll ich dich, Liebster der Seelen, umfassen“, in dem die Seele mit ihrem Jesus (dargestellt vom Augsburger Bass mit angenehmem Baritontimbre) „verzückt in den Himmel hinein“ tanzt (Zitat aus Nolls wieder ausgefeiltem Programmheft).

Als Programmkontrapunkt wurde die Kantatenfolge unterbrochen vom Doppelkonzert für Oboe und Violine in c-moll BWV 1060. Hier entfachten sowohl die Solisten (Jeanine Krause mit rundem Oboenton und Katrin Ebert mit zarter Violine) als auch das Orchester ein hinreißendes, rhythmisch prägnantes Feuerwerk in den Ecksätzen, während sie in dem Mittelsatz (Adagio) bezaubernden Schmelz über den begleitenden Pizzicati entfalteten.

In der letzten, dramatischsten Kantate „Selig ist der Mann“ BWV 57 mit lyrischen und kämpferischen Arien kam Hongxia Cui als Solo-Violinistin glänzend zur Geltung. Aber auch das eigens für diesen Anlass gegründete, auf historischen Instrumenten in internationaler Besetzung spielende „Mainische Collegium Musicum“ mit den noch nicht genannten Musikern Zsusanna Hodasz (Violine), Claudia Drechsler (Viola), Lydia Blum (Violoncello), Ichiro Noda (Violone) und Olaf Joksch (Orgel) überzeugte durch hohe Musikalität und ebensolches Können. Rainer Noll dirigierte das Collegium mit einer ausgewogenen Mischung aus Disziplin und Spontaneität, die alle mühsame Vorarbeit vergessen machte. So wurde die St. Martinskirche wieder zum Forum eines einzigartigen musikalischen und religiösen Erlebnisses höchsten Ranges.

Nicht nur mit herzlichem, sondern nicht enden wollendem begeisterten Applaus dankten beglückt die zahlreichen, wieder zum Teil weit angereisten Zuhörer den Künstlern nach dem schlichten Schlusschoral „Richte dich, Liebste, nach meinem Gefallen“ (Melodie „Lobe den Herren, den mächtigen König“).

Eckard B. Gandela, Frankfurt/Main

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