Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu (2012)

Wie schon in den vergangenen Jahren, so lädt die St. Martinsgemeinde auch in diesem Jahr wieder zu einer

Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu

am Karfreitag, dem 06. April 2012,

um 15 Uhr in der

St. Martinskirche zu Kelsterbach .

Diese Passionsmusiken an Karfreitag hat Kantor Rainer Noll vor 33 Jahren begründet.

Diese Passionsmusiken an Karfreitag hat Kantor Rainer Noll vor 33 Jahren begründet. Im Zentrum steht diesmal das dreiteilige geistliche Konzert „Gott ist treu“ von Lothar Graap (geb.1933): Klage, Antwort, Hoffnung – ausgehend von Jesu Kreuzeswort „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Es wird gesungen von der Heidelberger Sopranistin Eva Lebherz-Valentin. An der Orgel begleitet Rainer Noll, der außer der Passions-Partita „Christe, du Schöpfer aller Welt“ (EG 92), ebenfalls von Lothar Graap, auch die kleinen Kyrie-Bearbeitungen aus „Clavierübung Teil III“ von Johann Sebastian Bach spielt.

Die Lesungen hält Pfarrvikarin Inga von Gehren.

Diese Musikalische Meditation zu Jesu Leiden und Sterben bietet eine intime Alternative zu den großen Passionsaufführungen.

Der Eintritt ist frei, am Ausgang wird um eine Spende für die Kirchenmusik gebeten.

Musikalische Karfreitagsmeditation in St. Martin

Wieder hatte Kantor Rainer Noll ein in Kelsterbach noch nie gehörtes Programm für die „Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu“ am vergangenen Karfreitag in der St. Martinskirche ausgearbeitet. Und wieder typisch für Noll: Neben Johann Sebastian Bach erklangen wieder Werke eines Zeitgenossen, hier Lothar Graap (geb. 1933). Von ihm sang der gefragte Berliner Tenor von der Staatsoper Unter den Linden, Christoph Leonhardt, drei Passionsgesänge, sensibel begleitet von Noll an der Orgel. In diesen schwebenden Gesängen, deren Verhaltenheit und äußere Schlichtheit den Hörer von ihrer Schwierigkeit nichts ahnen lässt, konnte Leonhardt in aller Bescheidenheit seine vollendete Stimmkunst zeigen.

Im Zentrum stand der Choral „Kreuz, auf das ich schaue“ (Melodie von Lothar Graap), zunächst unbegleitet von Christoph Leonhardt vorgetragen, dann üppig entfaltet in Graaps zwölfteiliger Partita über sein eigenes Lied. Nolls Einfallsreichtum und Raffinesse im Gebrauch der Klangfarben seiner Orgel ließ wieder erstaunen.

Hier wurde wieder deutlich, dass der Jahrhunderte alte Baum des reichen Schatzes protestantischer Kirchenmusik, dem auch Bach angehört, bis heute wunderbare Früchte trägt, die nur gepflückt sein wollen, statt ignoriert zu werden zugunsten seichter kommerzieller Musik.

Dazwischen interpretierte Rainer Noll vier Präludien mit Passionscharakter aus Johann Sebastian Bachs berühmter Sammlung „Das Wohltemperierte Clavier“ in f-moll, g-moll, a-moll und h-moll. Diesen eigentlich für das Cembalo gedachten Werken gewann Noll auf der Orgel ganz besondere Reize ab, die das Cembalo so gar nicht hergibt. In diesen reifen Schöpfungen von größtmöglicher Verinnerlichung zeigte sich, wie weit sich Nolls Interpretation von allem „Gängigen“ (um nicht zu sagen „Eingängigen“) entfernt hat. Auf einem langen Weg des spirituellen Ringens ist dieser Interpret zu immer höherer Vergeistigung gelangt, die sich in größter Einfachheit ausdrückt.

Die Passionslesungen zwischen der Musik wurden äußerst dezent vorgetragen von Pfarrvikarin Inga von Gehren.

Eckard B. Gandela

Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu (2011)

Wie schon in den vergangenen Jahren, so lädt die St. Martinsgemeinde auch in diesem Jahr wieder zu einer

Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu

am Karfreitag, dem 22. April 2011,

um 15 Uhr in der

St. Martinskirche zu Kelsterbach .

Diese Passionsmusiken an Karfreitag hat Kantor Rainer Noll vor 32 Jahren begründet.

Im Zentrum stehen diesmal drei Sologesänge zur Passion von Lothar Graap (geb. 1933): „Fürwahr, er trug unsre Krankheit“, „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ und „Herr ist Jesus Christus“. Sie werden gesungen von dem Berliner Tenor Christoph Leonhardt (Staatsoper Unter den Linden). An der Orgel begleitet Rainer Noll, der außer der Partita „Kreuz, auf das ich schaue“, ebenfalls von Lothar Graap, auch das Präludium h-moll aus dem ersten Teil und die Präludien f-moll, g-moll, und a-moll aus dem zweiten Teil der Sammlung „Das Wohltemperierte Clavier“ von Johann Sebastian Bach spielt.

Die Lesungen hält Pfarrvikarin Inga von Gehren.

Diese Musikalische Meditation zu Jesu Leiden und Sterben bietet eine intime Alternative zu den großen Passionsaufführungen.

Der Eintritt ist frei, am Ausgang wird um eine Spende für die Kirchenmusik gebeten.

Musik zur Todesstunde Jesu – von innig bis brutal

Wenn man glaubt, nach fast vierzig Jahren Spiel auf der Martinskirchenorgel sei wohl alles gesagt, so hat Kantor Rainer Noll seine Zuhörer am Karfreitag eines Besseren belehrt. Immer wieder wartet dieser kreative Klangzauberer mit neuen Werken und ungeahnten Klängen seiner Orgel auf.

Gleich zu Beginn ein herzzerreißendes Präludium und Fuge f-moll des Bach-Lieblingsschülers Johann Ludwig Krebs mit hochgespannten Akkorden und schmerzlicher Chromatik, ganz aus dem Geiste Bachs geschaffen. Dann mehrere äußerst expressive Werke des Meisters selbst: „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ Bachwerkeverzeichnis (BWV) 622, „An Wasserflüssen Babylon saßen wir und weinten“ BWV 653 (Melodie „Ein Lämmlein geht“), die große, sehr selten zu hörende Bearbeitung „O Lamm Gottes, unschuldig“ BWV 656 und „Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End“ BWV 727 (Melodie „O Haupt voll Blut und Wunden“).

Typisch für Nolls Programmgestaltung, dass das Schaffen der Gegenwart nicht fehlen darf. Die Variationen über „Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann aus Golgatha“ von Lothar Graap (geb. 1933) wirkten nach Bach fast harmlos-verspielt. Ganz anders die große Choralfantasie „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Christoph Nogay (geb. 1941), die dem „Programm eine Dornenkrone aufsetzte“ (so Noll in seinen Erläuterungen). Dieses unmittelbar unter die Haut gehende Werk reizt die ganze Palette von meditativer Innigkeit bis zur fast brutalen Darstellung der Kreuzigung voll aus.

Das „Markenzeichen“ von Nolls Interpretationen sind die ergreifende Beseeltheit und Wärme und die jede Veräußerlichung meidende glutvolle Intensität, und damit gehört er zu einer einsamen Spitze der internationalen Orgelszene. Der fast vergessene Geist des Orgelspiels Albert Schweitzers wird bei ihm immer wieder gegen den Trend der Zeit lebendig.

Trotz des sonnigen Karfreitagswetters hatten wieder viele dankbare Besucher aus nah und fern in die Martinskirche gefunden.

Eckard B. Gandela

Musikalische Meditation zur Todesstunde Jesu 2010

Wie schon in den vergangenen Jahren, so lädt die St. Martinsgemeinde auch in diesem Jahr wieder zu einer

Musikalischen Meditation zur Todesstunde Jesu

am Karfreitag, dem 02. April 2010,

um 15 Uhr in der

St. Martinskirche zu Kelsterbach.

Rainer Noll, der diese Karfreitagsmusiken vor 31 Jahren begründete, spielt auf der Förster & Nicolaus-Orgel u. a. die großen Choralbearbeitungen „O Lamm Gottes, unschuldig“ und „An Wasserflüssen Babylon“ von Johann Sebastian Bach, Präludium und Fuge f-moll des Bach-Schülers Johann Ludwig Krebs, die Partita über „Nun gehören unsre Herzen“ von Lothar Graap (geb. 1933) und die Choralfantasie „O Haupt, voll Blut und Wunden“ von Christoph Nogay (geb. 1941).

Diese Musikalische Meditation zu Jesu Leiden und Sterben bietet eine intime Alternative zu den großen Passionsaufführungen.

Der Eintritt ist frei, am Ausgang  wird um eine Spende für die Kirchenmusik gebeten.


Programm

Johann Ludwig Krebs (1713 – 1780)

Präludium und Fuge f-moll

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

„O Mensch, bewein dein Sünde groß“ BWV 622

G E B E T

Lothar Graap (* 1933)

„Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann aus Golgatha“

(Partita für Orgel: Choral und sechs Variationen)

L E S U N G

Johann Sebastian Bach

„Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“

(„An Wasserflüssen Babylon“ BWV 653)

L E S U N G

„O Lamm Gottes, unschuldig“ BWV 656

L E S U N G

„O Haupt voll Blut und Wunden“

(„Herzlich tut mich verlangen“ BWV 727)

V A T E R U N S E R  U N D  S E G E N

Christoph Nogay (* 1941)

Choralfantasie „O Haupt voll Blut und Wunden“

S T I L L E

 

Lesungen: Klaus Preußner

Wir bitten um eine Kollekte zur Pflege der Kirchenmusik

Zu den Komponisten

Johann Ludwig Krebs wurde 1713 in Buttelstedt bei Weimar geboren. 1726 – 35 Besuch der Thomasschule in Leipzig, wo er Lieblingsschüler Johann Sebastian Bachs war (Bach: „Er ist der einzige Krebs in meinem Bach.“). 1737 – 43 Organist an der Marienkirche Zwickau. 1744 – 56 Schlossorganist in Zeitz. Ab 1756 bis zu seinem Tode im Jahre 1780 Schlossorganist in Altenburg. – Präludium und Fuge f-moll kann Bach als Vorbild nicht verleugnen. Dem chromatisch abwärtsgeführten Thema der Fuge ist gleich von Beginn an ein Kontrapunkt beigegeben (Doppelthema). Ganz am Ende bringt Krebs dieses Thema gespiegelt im Pedal und führt es dann zwischen Bass und Tenor eng.

Lothar Graap wurde 1933 in Schweidnitz/Schlesien geboren. 1946 Unterricht am Konservatorium Görlitz. 1950 – 54 Studium an der Kirchenmusikschule Görlitz bei Eberhard Wenzel (Theorie und Komposition) und Horst Schneider (Orgel) mit Abschluss B-Prüfung. 1954 Kirchenmusiker in Niemegk/Kreis Belzig. 1957 Kantor an der Klosterkirche Cottbus. 1975 A-Prüfung. 1981 Kirchenmusikdirektor. 1991 Dozent für Orgelspiel am Cottbuser Konservatorium. Seit 1998 wohnhaft in Schöneiche bei Berlin. – Die Partita „Nun gehören unsre Herzen“ spielt nach dem Choral in sechs Variationen mit dem Themenmaterial des Liedes (Text wird vorher verlesen).

Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 in Eisenach geboren. 1703 – 07 Organist in Arnstadt. 1707 – 08 Organist an St. Blasius in Mühlhausen. 1708 – 17 Hoforganist, Cembalist und Violinist (seit 1714 auch Hofkonzertmeister) in Weimar. 1717 – 23 Hofkapellmeister in Köthen. Ab 1723 Kantor der Thomaskirche und „Kirchenmusikdirektor“ der Stadt Leipzig, wo er am 28. Juli 1750 starb. – Die Melodie von „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ erklingt in der Oberstimme umspielt und ausgeziert, wodurch der Text äußerst ausdrucksvoll und „sprechend“ ausgedeutet wird. Bei den Worten „dass er für uns geopfert würd“ erklingt im Bass schmerzliche Chromatik. Die folgende Zeile „trüg unsrer Sünde schwere Bürd“ schleppt sich unter Ächzen und Stöhnen zum höchsten Ton des Stückes, und der Schluss „wohl an dem Kreuze lange“ erfährt seine Darstellung in der verlangsamten, lang hingezogenen Kadenz (Bach schreibt „Adagissimo“ vor). – Die Bearbeitung über „Ein Lämmlein geht“ schrieb Bach eigentlich über den Choral „An Wasserflüssen Babylon“, wobei beide Texte zur selben Melodie gesungen werden und von der gleichen Thematik von Leid und Schmerz erfüllt sind. Dies bringt er auf subtile Art zum Ausdruck, vor allem durch dissonanzreiche Harmonik. Die Melodie liegt hier im Tenor. – Bei „O Lamm Gottes, unschuldig“  (ein in Strophen gefasstes „Agnus Dei“) vertont Bach alle drei Textstrophen. Die ersten beiden textgleichen Strophen charakterisieren das unschuldige, allzeit geduldige Gotteslamm, das sich in überlegener Gelassenheit und Abgeklärtheit für die Sünden der Welt zur Schlachtbank führen lässt (Melodie erst in der Ober-, dann in der Mittelstimme). Die dritte Strophe (Melodie im Bass) beginnt in freudiger Triolenbewegung, die bei den Worten „all Sünd hast du getragen“ in einen ausgelassenen Tanz ums Goldene Kalb als Urbild des Abfalls von Gott (= Sünde) übergeht. Bei dem Wort „sonst müssten wir verzagen“ bricht das ekstatische heidnische Treiben jäh zusammen und mündet unvermittelt in grausige chromatische Harmoniefolgen, den Opfertod Jesu symbolisierend. In der letzten Zeile mit der Friedensbitte „gib uns dein Frieden, o Jesu“ (dem „Dona nobis pacem“) lässt Bach überraschend die himmlischen Heerscharen der Engel über dem Kreuz von Golgatha auf- und niederschweben, die an Weihnachten über dem Stall von Bethlehem im „Gloria“ den Hirten verkündet hatten: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Frieden auf Erden…“ Damit gibt Bach dem „Agnus Dei“ eine tiefe theologische Bedeutung und bringt es in enge Beziehung zum „Gloria“, Geburt und Tod Jesu als die Eckpfeiler seines Erlösungswerkes verbindend: Was die Engel von Bethlehem verheißen haben, wird auf Golgatha eingelöst und findet hier seine Vollendung – Jesus nimmt die Sünden der Welt auf sich und führt uns damit innerlich zum Frieden. Über dem Kreuz singen die Engel der erlösten Menschheit nochmals ihr „Gloria in excelsis Deo, et in terra pax“ zu. Das strahlende A-dur und der aufsteigende Schluss des Werkes verweisen bereits auf Ostern. – Den Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ behandelt Bach auf schlichte, ergreifende Weise.

Christoph Nogay wurde am 1. November 1941 in Breslau geboren. 1945 Evakuierung nach Bayern. Nach einer Diakonenausbildung Studium der Kirchenmusik in Bayreuth (C-Prüfung), Schlüchtern (B-Prüfung) und Köln (A-Prüfung/Staatsexamen). Er wirkte mehrere Jahrzehnte an der Apostelkirche in Bonn. – Nogays Choralfantasie über „O Haupt voll Blut und Wunden“ setzt dem heutigen Programm eine Dornenkrone auf. Sie verbindet harmonische Melodik mit neuen Satztechniken und Stilelementen und ist rondoartig aufgebaut. Formale und symbolische Bedeutung hat die Dreiteiligkeit, wie sie sich in Wiederholungen und im Aufbau der einzelnen Teile findet. Das Werk schließt nach einem meditativen Mittelteil und der Wiederholung des erweiterten Pedalsolos mit dem notengetreuen Choralsatz „O Haupt voll Blut und Wunden“ aus J. S. Bachs Matthäuspassion. An den jeweiligen Zeilenenden ist das B·A·C·H – Namensmotiv klingend in Tönen angebracht, das die Bachsche Tonalität harmonisch ins 20. Jahrhundert erweitert. Mit dem Choralsatz-Zitat und diesem genialen Kunstgriff erweist Nogay dem Thomaskantor kompositorisch seine Reverenz.

Rainer Noll