22. Torhauskonzert im Erbacher Hof

Samstag, den 13. August 2011, 17 Uhr

Heerstraße 15, Wiesbaden-Nordenstadt

Festliches Trompetenkonzert

mit dem Pfeiffer-Trompeten-Consort (3 Trompeten, Pauken und Orgel)

Auf dem Programm steht u. a. die berühmte „Feuerwerksmusik“ von Georg Friedrich Händel und Musik durch die vier Jahrhunderte des Wohnhauses, ergänzt durch unterhaltsame Moderationen.

Die drei Brüder Joachim (Solotrompeter der Lübecker Philharmoniker und des Schweriner Blechbläser-Collegiums), Harald und Martin Pfeiffer gründeten zusammen mit dem Heidelberger Konzertorganisten Kirchenmusikdirektor Peter Schumann Mitte der 80-er Jahre an der Heiliggeistkirche Heidelberg, wo Schumann fast 30 Jahre als Kantor wirkte (davor in Hamburg und Wiesbaden), das Pfeiffer-Trompeten-Consort. Dazu kommt Mathias Müller, erster Solopauker im Gewandhausorchester Leipzig.

Inzwischen hat sich das Ensemble im nord- und süddeutschen Konzertleben etabliert und lässt so manches berühmte, aber auch weniger bekannte Werk der Musikliteratur in festlichem Gewand neu erstrahlen.

Die Torhauskonzerte gründete Rainer Noll, selbst Kantor an St. Martin Kelsterbach, vor 22 Jahren als völlige Privatinitiative, ohne jede finanzielle Rückendeckung von irgendeiner Seite, aber auch ohne auf Gewinn zu zielen. Alle Konzerte haben sich finanziell selbst getragen, auch dank des ehrenamtlichen Helferteams. Im Vordergrund steht einfach die Freude, gute Musik in einer alles anderen als steifen Konzertatmosphäre an Menschen heranzubringen und das schöne Anwesen für Begegnung und Kommunikation zu öffnen – so auch bei den musikalischen Weinproben, die hier seit 11 Jahren stattfinden.

Als Rahmen dient das Stammhaus der mütterlichen Linie der Vorfahren Rainer Nolls: der bis 1556 zum Kloster Eberbach im Rheingau gehörende Erbacher Hof mit entsprechendem Ambiente, den Noll in Eigeninitiative restauriert hat (Wohnhaus von 1611, ältestes Haus im Dorf: Vierhundertjahrfeier!). Das als Bühne fungierende Torhaus, das den Konzerten ihren Namen gibt, wurde 1849 von Nolls Ururgroßvater Johann Georg Stemler erbaut.

Anschließend werden wie immer Getränke und Gegrilltes zum Selbstkostenpreis angeboten.

Karten sind zu haben zu 14 € im Vorverkauf und 17 € an der Abendkasse.

In Zusammenarbeit mit dem Vereinsring Nordenstadt und dem Kulturamt Wiesbaden.

Vorverkaufsstellen:

WI-Nordenstadt:

  • Bäckerei Konditorei Martin, Heerstr. 38
  • Bäckerei Konditorei Stemler, Heerstr. 5 und Filiale Oberpfortstr. 7
  • Das Lädchen, Stolbergerstr. 43

Wiesbaden:

  • Musikalien Petroll, Marktpl. 5

Kelsterbach:

  • Schreibwaren Hardt, Marktstr. 3

Johann Sebastian Bach: Leben, Schaffen und Ende in Leipzig

BachVortrag mit Musikbeispielen am 31. Oktober 2000 (Reformationstag) in der Evangelischen Kirche zu Wiesbaden-Nordenstadt von Rainer Noll

Bachdenkmal Leipzig

Bach, Leipzig und die Reformation

Ganz bewusst haben wir den Reformationstag ausgewählt, um im Bach-Jahr 2000 über Johann Sebastian Bach in Leipzig zu sprechen. Dafür gibt es gute Gründe.

Zum einen: „Schule und Kirchenmusik haben die frühe Ausbildung Bachs im christlichen Glauben lutherischer Konfession nachhaltig geprägt. In der deutschen und in der Lateinschule Eisenachs bestimmten neben Gesangbuch und Bibel vor allem der lutherische Katechismus den Unterricht.“ 1)Karl Dienst: „»NB. Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart«: Johann Sebastian Bach als Prediger“ in „Gedenkschrift für Werner Felix“, Berlin 2000, S. 8 Zeitlebens blieb Bach in der späten lutherischen Orthodoxie verankert. Er war in den Schriften Luthers zu Hause und besaß nicht weniger als 21 Folianten mit Werken des Reformators, die er 1733 und 1742 noch erweiterte. Der Theologe und Bach-Forscher Jürgen Christian Mahrenholz (Sohn des berühmten Christhardt Mahrenholz, der in diesem Jahre hundert Jahre alt würde) schreibt in der soeben erschienen Gedenkschrift für Werner Felix (1927 – 1998), den Gründer und Generaldirektor der „Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten Johann Sebastian Bach“ in Leipzig, aus der ich eben schon zitierte: „… ohne einen D. Martin Luther wäre ein Johann Sebastian Bach, einer der größten Geister, den unser Volk hervorgebracht hat, undenkbar gewesen.“ 2)J. Chr. Mahrenholz: „Johann Sebastian Bachs Messe h-Moll BWV 232 – Wege zu einer theologischen und anthropologischen Heuristik“ in „Gedenkschrift Werner Felix“, Berlin 2000, S. 35 „Johann Sebastian Bach: Leben, Schaffen und Ende in Leipzig“ weiterlesen

Fußnoten   [ + ]

Zum Albert-Schweitzer-Boom

Bemerkungen von Rainer Noll zu dem derzeitigen „Albert-Schweitzer-Boom“ in Film, Sendemedien, einigen Buchpublikationen und Diskussionen (21.1.2010):

In „Verfall und Wiederaufbau der Kultur“ (München, 1960, S. 25) schreibt Albert Schweitzer bereits 1923 harte Worte: „Zeitschriften und Zeitungen haben sich in steigendem Maße in die Tatsache zu finden, daß sie alles nur in der leichtestfaßlichen Form an den Leser heranbringen dürfen. […] Einmal mit dem Geiste der Oberflächlichkeit erfüllt, üben diese Organe, die das geistige Leben unterhalten sollten, ihrerseits eine Rückwirkung auf die Gesellschaft aus, die sie in diesen Zustand brachte, und drängen ihr die Geistlosigkeit auf.“ Und in „Aus meinem Leben und Denken“ (=LD, Siebenstern-TB, München und Hamburg, 1965, S. 183) lesen wir bei ihm: „Wie durch die Lichtreklamen, die in den Straßen der Großstadt aufflammen, eine Gesellschaft, die kapitalkräftig genug ist, um sich durchzusetzen, auf Schritt und Tritt Zwang auf ihn [den heutigen Menschen]  ausübt, daß er sich für ihre Schuhwichse oder ihre Suppenwürfel entscheide, so werden ihm fort und fort Überzeugungen aufgedrängt.“ „Zum Albert-Schweitzer-Boom“ weiterlesen

Albert Schweitzer und die Musik

Vortrag beim Internationalen Symposium Bach 2000 am 12. Oktober 2000 im Sudetendeutschen Musikinstitut in Regensburg

(erschienen in Englisch in „Bach 2000 – Music between Virgin Forest and Knowledge Society“, eine Buchveröffentlichung der Compostela Group of Universities, 2002)

 

„Albert Schweitzer und die Musik“ – die Betonung muss auf „und“ liegen, denn Albert Schweitzer ohne Musik, das wäre undenkbar. Am 26. August 1904, noch während der Verhandlungen über die Edition des französichen Bach-Buches, schreibt Schweitzer an Oskar von Hase (1846 – 1921), den Seniorchef des Hauses Breitkopf & Härtel: „…Musik ist bei mir eben eine Erbschaft, gegen die ich nichts ausrichten kann…“ (in Erwin R. Jacobi: „Musikwissenschaftliche Arbeiten“, Zürich 1984, S. 264) Auch seine Liebe zur Orgel sieht er sozusagen genetisch bedingt: „Die Leidenschaft für die Orgel hatte ich von meinem Großvater Schillinger geerbt, der sich viel mit Orgel und Orgelbau beschäftigte.“ (A. Schweitzer: „Aus meinem Leben und Denken“, Hamburg 1955, S. 7) Sein Großvater Johann Jakob Schillinger (1801 – 1872) war Pfarrer in Mühlbach im elsässischen Münstertal. Und weiter: „Da mir die Beschäftigung mit dem Orgelbau von meinem Großvater Schillinger her im Blute lag, war ich schon als Knabe darauf aus, das Innere von Orgeln kennenzulernen.“ (a. a. O., S. 60) So schließt Werner Picht das Kapitel „Musik“ in seiner großen Biographie „Albert Schweitzer – Wesen und Bedeutung“ mit dem schönen Satz: „Wer das Dasein Albert Schweitzers begreifen will, der begreife es als ein Oratorium mit Orgelbegleitung.“ („Albert Schweitzer – Wesen und Bedeutung“, Hamburg 1960, S. 197) „Albert Schweitzer und die Musik“ weiterlesen

„Albert Schweitzer und die Musik“ – Vortrag in Nierstein am 02. Oktober 2011

Vortrag (mit Orgelkonzert) von Rainer Noll am 2. Oktober 2011 in der Martinskirche zu Nierstein (überarbeitete Nachschrift)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

der Name Al Imfeld wird Ihnen nichts sagen: er ist ein Journalist aus der Schweiz, geboren am 14. Januar 1935 (auf den Tag genau 60 Jahre nach Albert Schweitzer), Theologe und Afrikakenner; und großer Schweitzerverehrer. Er wurde mit Schweitzers Schriften schon in seiner Jugend durch seine Mutter vertraut gemacht. Zu Schweitzer hat er sich geäußert in einem Rundfunk-Interview (SWR 2 Forum, 13.11.2009). Gleich nach seinem Abitur wollte er nach Lambarene, um sein Idol kennen zu lernen. Er fuhr dorthin 1954, und er reiste Hals über Kopf nach drei Tagen wieder ab. Er war nach eigener Aussage „schockiert“, als er Schweitzer persönlich kennen lernte. Warum? Weil sein Idol nicht genau dem entsprach, was er erwartet hatte. So geht es sicher mit vielen „Heiligen“: sie werden umso heiliger, je weiter sie weg sind, räumlich und zeitlich – je näher man ihnen kommt, desto problematischer wird das Verhältnis (deshalb scheinen sie heute fast ausgestorben). Anlass war nicht nur, dass Schweitzer ihm die Benutzung seiner mitgebrachten Schreibmaschine verbot mit schroffen Worten: „Gehen Sie weg mit der!“, er wolle die Menschlichkeit nicht aus seinen Briefen verbannen (Schweitzer schrieb selbst alles mit der Hand, obwohl er vom Schreibkrampf geplagt war). Dies mag man zu Recht als fortschrittsfeindlich oder auch als schrullig abtun, und dennoch trifft Schweitzer damit einen Nerv (wie bei so vielem). Der eigentliche Grund für den Schock war folgender. Al Imfeld, humanistisch erzogen, verehrte in Schweitzer einen der größten Humanisten unserer Zeit. Gleich am ersten Tag erklärte ihm Albert Schweitzer: „Diese Neger hier sind noch keine Menschen, die sind erst auf dem Weg, die sind Kinder.“ Man muss allerdings Schweitzer zum richtigen Verständnis übersetzen: mit „Menschen“ meinte er natürlich Erwachsene. Dies war Schweitzers Auffassung, dass die Eingeborenen zwar seine Brüder seien, aber seine jüngeren Brüder. Hier gab es also ein Missverständnis und deshalb eine Enttäuschung. Gerade dieser Al Imfeld berichtet auch, was kaum bekannt ist (und wer hätte das gedacht?), dass Schweitzer das Apartheidssystem in Südafrika zu dem damaligen Zeitpunkt in Briefen befürwortet hat, weshalb einige ihn für einen Rassisten halten, der er beileibe nicht war (wie allerdings auch kein „lupenreiner Demokrat“). Ich will hier keine „Heiligenschändung“ betreiben, ich will auf etwas ganz anderes hinaus. Fast immer wurde von Albert Schweitzer ein Idealbild gezeichnet, sogar von ihm selbst. Wer immer es noch so wohlmeinend wagte, dieses in fruchtbare Spannung zu einem Realbild treten zu lassen (ein „Sakrileg“!), wurde und wird in gewissen, manchmal sektiererischen Schweitzer-Kreisen zur persona non grata (was ich gerade mit diesen Sätzen wieder riskiere). Ich berichte dies alles, weil kaum eine andere Person in vielerlei Hinsicht gerade deshalb so missverstanden wurde wie er. Heute haben wir die Tendenz, dass sein Name wie ein Etikett vielen Dingen einfach aufgeklebt wird. Er soll quasi als Qualitätssiegel gelten. Vordergründig zählt hier der Marketingerfolg (Quotenprinzip, Verwertbarkeit), ohne dass man sich noch um eine wahrhaftige Auseinandersetzung mit der Substanz seiner durchaus kantigen, unbequemen und manchmal widersprüchlich scheinenden Persönlichkeit bemüht, denn dies macht Mühe und erfordert Differenzierteres, als eine Schlagzeile zu lesen. Unausgesprochenes Motto: „Schweitzer, wie wir ihn brauchen“ statt „wie er war“. Dabei hat Albert Schweitzer es am wenigsten nötig, zum Legenden-Heiligen und Alles-Könner, eben zum Halbgott hochstilisiert zu werden, als den man ihn vielleicht besser „verkaufen“ kann – so, wie eine sofort eingängige, banale Melodie auch zunächst bei der Masse besser ankommt als eine charaktervolle (zunächst!). Denn er ist innerhalb seiner menschlichen Grenzen gewaltig genug, um vor jeder Wahrhaftigkeit zu bestehen. Nicht Nach- oder Anbetung, die man ihm entgegenbringt, sondern Anregung, die von ihm ausgeht, ist es, wofür ich plädiere. „„Albert Schweitzer und die Musik“ – Vortrag in Nierstein am 02. Oktober 2011“ weiterlesen