(Erschienen in „Kelsterbach Aktuell“ am 17.12.2010)
Eine Uraufführung war die größte Überraschung dieser Abendmusik mit ansonsten barockem Programm, besonders weil diese nicht angekündigt war. Wegen einer langwierigen Fußerkrankung Kantor Rainer Nolls war bis zuletzt diese Aufführung ungewiss. Es war sozusagen eine Last-Minute-Entscheidung Nolls, dieses ihm gewidmete Werk zu wagen. Der Blockflötensolist des Abends, Prof. Martin Nitz aus Hamburg, hatte eine Choralpartita über „Nun komm, der Heiden Heiland“ für Sopran und Orgel komponiert und erwies sich damit als musikalisches Multitalent, hatte man ihn doch schon früher als wendigen Continuospieler, als Cembalist und Organist erlebt. Die einfühlsame Interpretation durch die Heidelberger Sopranistin Eva Lebherz-Valentin und Rainer Noll (mit farbiger Registrierung der herrlichen Förster & Nicolaus-Orgel) unterstrich den hohen Rang und die geistige Tiefe der Partita, die in ihren Variationen alten Kompositionstechniken in gemäßigt moderner Tonsprache huldigt.
Wieder einmal war es Rainer Noll, der das Konzert souverän leitete, gelungen, mit den bereits erwähnten Solisten und dem renommierten Main-Barockorchester Frankfurt (wieder mit dem Heidelberger Kirchenmusikdirektor Peter Schumann an der Continuoorgel) hochkarätige Musiker zu gewinnen. Mit der Sonata G-dur von „Monsieur Walter“ eröffnete Martin Nitz als Blockflötensolist den Abend. Aus Johann Sebastian Bachs „Magnificat“ (dem „Lobgesang der Maria“) folgte das „Et exsultavit“ für Sopran und Streicher. Nach einer Chaconne von Henry Purcell, in der Martin Nitz sein ganzes bläserisches Können zeigte, brillierte Eva Lebherz Valentin in der Psalmvertonung „Laudate pueri Dominum“ von Antonio Vivaldi. In der nachfolgenden berühmten „Air“ von Bach machte Martin Nitzens warmer Flötenton völlig vergessen, dass deren beliebte Oberstimme eigentlich für Violine komponiert war. Nach der oben erwähnten Uraufführung ließ Rainer Noll Bachs majestätische „Magnificat“-Fuge im satten Plenum der Orgel erklingen, die in einen triumphalen fünfstimmigen Schluss mündete. Den grandios-virtuosen Abschluss bildete die mitreißende Arie „Herr, der du stark und mächtig bist“ aus Bachs „Magnificat“-Kantate BWV 10, in der alle Musizierenden in zwingender Intensität zusammenwirkten.
Zum 28. Mal hat Rainer Noll als „spiritus rector“ der „Abendmusik zum Weihnachtsmarkt“ ein hohes Niveau verliehen. Dem gab Stadtrat Ernst Freese verbalen Ausdruck in seinem Dankwort, und alle Ausführenden wurden durch langen herzlichen Beifall des für die Witterungsverhältnisse zahlreichen Publikums belohnt.
Eckard B. Gandela, Frankfurt