Die Voigt-Orgel (1886) zu Nordenstadt

(erschienen in „Ars Organi“, 2/1987,  mit leichten Abweichungen)

Nordenstadt liegt östlich von Wiesbaden, links der Autobahn (A 66) von Wiesbaden nach Frankfurt. Fast bis zur Eingemeindung zu Wiesbaden im Jahre 1977 war Nordenstadt eine kleine Landgemeinde bäuerlichen Charakters.

Heinrich Voigt mit ältestem Sohn

Die evangelische Barock-Kirche des Dorfes wurde in den Jahren 1718-1738 erbaut. Lehrer Maurer berichtet unter der Jahreszahl 1885-86 in der Schulchronik, die erste Orgel sei um 1709 erbaut worden. Wie die Schulchronik, so nennt auch Bösken als Erbauer den sächsischen Orgelbauer Georg Friedrich Weißhaupt [aus Friedenstein], der sich in Idstein/Ts. niedergelassen hatte. Als Entstehungszeit gibt Bösken um 1713 an [1]. Nach diesen Angaben müsste also diese Orgel kurz vor dem Kirchenneubau noch für die nach dem 30jährigen Krieg notdürftig wiederhergestellte vorherige Kirche angeschafft worden sein. Sie besaß 11 Register auf einem Manual und Pedal. In den Jahren nach 1800 war sie öfter reparaturanfällig. Im Jahre 1876 erhielt sie ein neues „Magazingebläse“, wie es im Vertrag mit den Orgelbauern Gebrüder Voigt aus dem benachbarten Igstadt heißt. Schon in den Jahren davor hatte die Werkstatt Voigt das Instrument in Pflege. So lag es nahe, sich auch an diese Werkstatt zu wenden, als man schließlich doch des altersschwachen und dazu längst dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprechenden Barockinstrumentes überdrüssig war. Heinrich Voigt (inzwischen nicht mehr Gebrüder Voigt) unterbreitete der Gemeinde einen detaillierten, auf den 19. Juli 1884 datierten Kostenvoranschlag für eine neue Orgel mit 20 klingenden Stimmen, zwei Manualen und Pedal. „Die Voigt-Orgel (1886) zu Nordenstadt“ weiterlesen

Echter Geheimtipp mit edlem Klang

„Wer Ohren hat, der wird es hören“, sagte der Organist und Kantor der Martinsgemeinde Rainer Noll stolz über die Orgel der Kirche. „Alles klingt edel. Man muss einfach Ehrfurcht haben und sie bewundern.“ Dass alles so gut aufeinander abgestimmt ist, empfindet er als ein kleines Wunder, denn ob eine Orgel nach der Fertigstellung auch gut klingt, war damals weder beim Bau im Jahr 1823, noch beim Neubau 1970 vorhersehbar. „Echter Geheimtipp mit edlem Klang“ weiterlesen

Die neue Orgel der Ev. Kirche in Wiesbaden-Bierstadt

Ein Aufsatz von Rainer Noll anläßlich des Orgelneubaus in Wiesbaden-Bierstadt 1972

Jede Zeitepoche hat ihre Spuren an der tausendjährigen Kirche Bierstadts hinterlassen, die heute eine gewachsene, polystilistische Einheit bildet. Der renovierte Innenraum hat nun neben anderen Akzenten einen besonders dominierenden Akzent erhalten, der dem Raum ein ganz neues Gepräge verleiht: die neue Steinmeyer-Orgel. Sie ist gegenüber den Arbeiten mehr restaurativen Charakters etwas vollkommen Neues und damit wohl die deutlichste Spur, die unsere Zeit in dem altehrwürdigen Raum hinterläßt. Gleich über dem Haupteingang erhebt sie sich auf der Westempore bis hinauf unter das Deckengewölbe. Trotz ihrer majestätischen Größe wirkt sie nicht erdrückend in dem kleinen Raum, dessen Rückwand sie angenehm aufgliedert. Der Orgelprospelkt selbst – er geht durch Herrn Architekt Rainer Schells und meine Änderungsvorschläge aus einem Entwurf der Firma Steinmeyer hervor – ist geprägt durch die asymmetrische Zusamenstellung der Pfeifen in großen Terzen bei symmetrischem Gehäuseaufbau. Etwas Besonderes, das nicht aus dem Rahmen des Gesamten fällt! „Die neue Orgel der Ev. Kirche in Wiesbaden-Bierstadt“ weiterlesen

Von Bach bis Kelsterbach – die Orgel der St. Martinskirche

Im Jahre 1754 erhielt die aus dem 16. Jahrhundert stammende Vorgängerkirche, die um diese Zeit renoviert wurde, eine Orgel, über die wir weiter nichts wissen (Martin Balz, Reinhardt Menger: „Alte Orgeln in Hessen und Nassau“,  Kassel 1997, S. 134). Nach der Wende zum 19. Jahrhundert wurde diese Kirche immer baufälliger. 1808 musste sie abgesprießt werden, die Gottesdienste fanden in der Schule und den oberen Pfarrhausräumen statt. Nach den Wirren der Napoleonischen Kriege 1813-15, die einen Neubauplan verzögerten, wurde sie 1817 abgerissen. 1819-23 wurde die heutige Kirche im klassizistischen Stil nach Entwürfen von Georg Moller (1784 – 1852), seit 1810 Oberbaurat und Hofbaurat des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, erbaut.

1822 schloss man mit dem Orgelbauer Johann Hartmann Bernhard (1773 – 1839) aus Romrod einen Vertrag über den Neubau einer Orgel, die bei der Einweihung der neuen Kirche am Martinstag 1823 (11. November) erstmals erklungen ist. Sein Vater Johann Georg Bernhard (1738 – 1803) hatte die renommierte Werkstatt in Romrod gegründet, die sein Sohn Friedrich Wilhelm Bernhard (1804 – 1861) weiterführte –  er arbeitete an der Orgel in Kelsterbach bereits mit. „Von Bach bis Kelsterbach – die Orgel der St. Martinskirche“ weiterlesen

Der Orgelfachmann und Bach-Interpret Albert Schweitzer und mein Weg zur Orgel (II)

(erschienen im 49. „Rundbrief für alle Freunde von Albert Schweitzer“, Mai 1980)

Dem Andenken von Prof. Dr. Erwin R. Jacobi (1909-79) gewidmet
(Die Kerngedanken dieses Aufsatzes veröffentlichte Rainer Noll erstmals im „Schweizerischen Reformierten Volksblatt“ Nr. 17, 107. Jahrgang; Basel, 8. November 1973)

Teil II: DER BACH-INTERPRET – VERSUCH EINER DEUTUNG

„Der Orgelfachmann und Bach-Interpret Albert Schweitzer und mein Weg zur Orgel (II)“ weiterlesen