Nicht nur der Musik wegen…

Wiesbadener Tagblatt – 15.08.2011 – NORDENSTADT Von Thomas Karschny

TORHAUSKONZERT Traditionsveranstaltung lebt auch vom Ambiente / Helfer fürs nächste Jahr gesucht

Nicht jedes Mal hat man mit dem Wetter Glück, und so wurde das 22. Nordenstadter Torhauskonzert im Erbacher Hof am Samstag immer wieder von kleineren Regengüssen heimgesucht. Trotzdem hielten die gut 150 Gäste – Regenschirme gab es zu Genüge – tapfer im Freien aus.

Schließlich galt es wieder einmal ein qualitativ hochwertiges Musikprogramm zu genießen. Zu Gast in der Heerstraße waren diesmal die Trompeter Martin und Joachim Pfeiffer (Solotrompeter der Lübecker Philharmoniker) und Mathias Nitschke. Zusammen mit dem Heidelberger Organisten Peter Schumann bilden sie das Pfeiffer-Trompeten Consort, das von Gewandhaus-Solopauker Mathias Müller aus Leipzig begleitet wurde.

Entsprechend festlich klang das aus drei Jahrhunderten zusammengestellte Repertoire. Besonders Jean-Joseph Mourets dreisätzige „Sinfonies de Fanfares“ und die von Jean-Baptiste Lully komponierte „Musique Royale“ unterstrichen die insgesamt recht majestätische Ausstrahlung.

Dazwischen brillierten die fünf Musiker aber auch immer wieder mit sanften und romantischen Melodien von Felix Mendelssohn Bartholdy („Willkommen im Grünen!“) und Louis-Claude Daquin („Der Kuckuck“), ehe sie hinter ihr hervorragendes Vorspiel mit Georg-Friedrich Händels „Feuerwerksmusik“ einen krönenden Schlusspunkt setzten. Lauter Beifall und Bravo-Rufe – ein paar Zugaben durften nicht fehlen – hallten minutenlang durch den Hof.

Hausherr und Konzertorganisator Rainer Noll, der diesmal mit einer Variation von Bachs berühmter Toccata und Fuge d-moll das Konzert einleitete, scheint mit dem Besuch zufrieden. „Dieses Jahr setzte die Nachfrage nach den Karten schon sehr früh ein. Der Vorverkauf lief dann etwas enttäuschend. Gottlob gab es dann aber doch noch jede Menge privater Anmeldungen.“

Seinen Gästen – viele von ihnen kommen seit Jahren regelmäßig zu den Konzerten – scheint es zu gefallen. „Traumhaft ist es hier bei Ihnen“, ruft dem Hausherrn eine Dame im Vorübergehen zu. Auch Claudia Schreiner, die an diesem Abend mit ihren Töchtern und einer Freundin zu Gast ist, spart nicht an positiver Kritik: „Ich finde es toll, dass es jedes mal wieder ein Musikprogramm gibt, das zum Ambiente dieses alten Gebäudes passt.“ Gabi Vogel aus Nordenstadt war in der Vergangenheit schon „drei-, viermal“ im Erbacher Hof und bezeichnet das Torhauskonzert inzwischen als „kulturelles Highlight für Nordenstadt“: „Zwar gibt es in der Kirche hin und wieder ein Konzert, aber ansonsten existieren hier im Ort im Bereich der klassischen Musik ja nicht so viele Angebote.“

Seit 1990 veranstaltet Organist Rainer Noll die Torhauskonzerte. „Nicht nur der Musik wegen“, wie er sagt, sondern auch, um die Allgemeinheit an der Schönheit der von ihm in Eigenregie restaurierten Hofanlage – im Mittelalter eine Aussenstelle des Kloster Eberbachs – teilhaben zu lassen.

Mit dem 22. Konzert feiert man in Nordenstadt gleichzeitig das 400-jährige Bestehen des dazugehörigen Wohnhauses. Es ist heute das älteste noch erhaltene Haus in ganz Nordenstadt. Für das kommende Jahr hat Rainer Noll noch nichts geplant. „Wir müssen erst sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Viele der ehrenamtlichen Helfer sind – genau wie ich – bereits seit 22 Jahren mit dabei, und damit auch dementsprechend älter geworden. Und an neue, jüngere Leute kommt man mit dem Ehrenamt nur schwer ran“, bedauert Noll.

Gut 20 Helfer packen rund um das Fest, beim Grillen, Getränkeausschank oder beim Bänke-Auf- und Abbau mit an. „Wenn wir hier wieder genügend Leute zusammenkriegen, dann können wir das Torhauskonzert auch in Zukunft weiterhin anbieten.“

Die Voigt-Orgel (1886) zu Nordenstadt

(erschienen in „Ars Organi“, 2/1987,  mit leichten Abweichungen)

Nordenstadt liegt östlich von Wiesbaden, links der Autobahn (A 66) von Wiesbaden nach Frankfurt. Fast bis zur Eingemeindung zu Wiesbaden im Jahre 1977 war Nordenstadt eine kleine Landgemeinde bäuerlichen Charakters.

Heinrich Voigt mit ältestem Sohn

Die evangelische Barock-Kirche des Dorfes wurde in den Jahren 1718-1738 erbaut. Lehrer Maurer berichtet unter der Jahreszahl 1885-86 in der Schulchronik, die erste Orgel sei um 1709 erbaut worden. Wie die Schulchronik, so nennt auch Bösken als Erbauer den sächsischen Orgelbauer Georg Friedrich Weißhaupt [aus Friedenstein], der sich in Idstein/Ts. niedergelassen hatte. Als Entstehungszeit gibt Bösken um 1713 an [1]. Nach diesen Angaben müsste also diese Orgel kurz vor dem Kirchenneubau noch für die nach dem 30jährigen Krieg notdürftig wiederhergestellte vorherige Kirche angeschafft worden sein. Sie besaß 11 Register auf einem Manual und Pedal. In den Jahren nach 1800 war sie öfter reparaturanfällig. Im Jahre 1876 erhielt sie ein neues „Magazingebläse“, wie es im Vertrag mit den Orgelbauern Gebrüder Voigt aus dem benachbarten Igstadt heißt. Schon in den Jahren davor hatte die Werkstatt Voigt das Instrument in Pflege. So lag es nahe, sich auch an diese Werkstatt zu wenden, als man schließlich doch des altersschwachen und dazu längst dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprechenden Barockinstrumentes überdrüssig war. Heinrich Voigt (inzwischen nicht mehr Gebrüder Voigt) unterbreitete der Gemeinde einen detaillierten, auf den 19. Juli 1884 datierten Kostenvoranschlag für eine neue Orgel mit 20 klingenden Stimmen, zwei Manualen und Pedal. „Die Voigt-Orgel (1886) zu Nordenstadt“ weiterlesen

Echter Geheimtipp mit edlem Klang

„Wer Ohren hat, der wird es hören“, sagte der Organist und Kantor der Martinsgemeinde Rainer Noll stolz über die Orgel der Kirche. „Alles klingt edel. Man muss einfach Ehrfurcht haben und sie bewundern.“ Dass alles so gut aufeinander abgestimmt ist, empfindet er als ein kleines Wunder, denn ob eine Orgel nach der Fertigstellung auch gut klingt, war damals weder beim Bau im Jahr 1823, noch beim Neubau 1970 vorhersehbar. „Echter Geheimtipp mit edlem Klang“ weiterlesen

Die neue Orgel der Ev. Kirche in Wiesbaden-Bierstadt

Ein Aufsatz von Rainer Noll anläßlich des Orgelneubaus in Wiesbaden-Bierstadt 1972

Jede Zeitepoche hat ihre Spuren an der tausendjährigen Kirche Bierstadts hinterlassen, die heute eine gewachsene, polystilistische Einheit bildet. Der renovierte Innenraum hat nun neben anderen Akzenten einen besonders dominierenden Akzent erhalten, der dem Raum ein ganz neues Gepräge verleiht: die neue Steinmeyer-Orgel. Sie ist gegenüber den Arbeiten mehr restaurativen Charakters etwas vollkommen Neues und damit wohl die deutlichste Spur, die unsere Zeit in dem altehrwürdigen Raum hinterläßt. Gleich über dem Haupteingang erhebt sie sich auf der Westempore bis hinauf unter das Deckengewölbe. Trotz ihrer majestätischen Größe wirkt sie nicht erdrückend in dem kleinen Raum, dessen Rückwand sie angenehm aufgliedert. Der Orgelprospelkt selbst – er geht durch Herrn Architekt Rainer Schells und meine Änderungsvorschläge aus einem Entwurf der Firma Steinmeyer hervor – ist geprägt durch die asymmetrische Zusamenstellung der Pfeifen in großen Terzen bei symmetrischem Gehäuseaufbau. Etwas Besonderes, das nicht aus dem Rahmen des Gesamten fällt! „Die neue Orgel der Ev. Kirche in Wiesbaden-Bierstadt“ weiterlesen

Von Bach bis Kelsterbach – die Orgel der St. Martinskirche

Im Jahre 1754 erhielt die aus dem 16. Jahrhundert stammende Vorgängerkirche, die um diese Zeit renoviert wurde, eine Orgel, über die wir weiter nichts wissen (Martin Balz, Reinhardt Menger: „Alte Orgeln in Hessen und Nassau“,  Kassel 1997, S. 134). Nach der Wende zum 19. Jahrhundert wurde diese Kirche immer baufälliger. 1808 musste sie abgesprießt werden, die Gottesdienste fanden in der Schule und den oberen Pfarrhausräumen statt. Nach den Wirren der Napoleonischen Kriege 1813-15, die einen Neubauplan verzögerten, wurde sie 1817 abgerissen. 1819-23 wurde die heutige Kirche im klassizistischen Stil nach Entwürfen von Georg Moller (1784 – 1852), seit 1810 Oberbaurat und Hofbaurat des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, erbaut.

1822 schloss man mit dem Orgelbauer Johann Hartmann Bernhard (1773 – 1839) aus Romrod einen Vertrag über den Neubau einer Orgel, die bei der Einweihung der neuen Kirche am Martinstag 1823 (11. November) erstmals erklungen ist. Sein Vater Johann Georg Bernhard (1738 – 1803) hatte die renommierte Werkstatt in Romrod gegründet, die sein Sohn Friedrich Wilhelm Bernhard (1804 – 1861) weiterführte –  er arbeitete an der Orgel in Kelsterbach bereits mit. „Von Bach bis Kelsterbach – die Orgel der St. Martinskirche“ weiterlesen