Rainer Noll aus Nordenstadt organisiert seit 20 Jahren die beliebten Torhauskonzerte
„Orpheus in der Unterhose“ – so lautet der viel versprechende Titel des Torhauskonzertes, das heute um 17 Uhr in Nordenstadt stattfindet. Bereits zum 20. Mal veranstaltet Organisator Rainer Noll in seinem „Erbacher Hof“ das beliebte Konzert und freut sich auf musikalische Unterhaltung mit Witz und Niveau.
„Die Besucher erwartet musikalisches Amüsement vom Feinsten“, verrät der Gastgeber. Das Kammerensemble „Pifferari di Santo Spirito“ lädt mit einem Repertoire von Barock bis Blues zu abwechslungsreichen Stunden ein. Die Heidelberger Musiker greifen dabei auch auf exotische Instrumente zurück und versprechen den Besuchern heitere Musik mit witzigem Kommentar.
„Im Vordergrund steht einfach die Freude, gute Musik in einer alles anderen als steifen Konzertatmosphäre an Menschen heranzubringen“, erklärt Noll. Zudem möchte er sein Anwesen, das großzügige Hofgelände und den Garten, für Begegnung und Kommunikation öffnen. Im Anschluss an das Konzert erwartet die Besucher neben einer Auswahl an Weinen auch verschiedene Speisen vom Grill.
Die Idee zu den Konzerten kam Noll bei einer Feier in privater Runde. Bereits die erste Veranstaltung entpuppte sich als Erfolg und so wurde das Torhauskonzert im Laufe der Jahre zu einem festen Programmpunkt im Nordenstadter Terminkalender. Alle Konzerte konnten sich finanziell selbst tragen, ein Gewinn wurde mit ihnen aber nicht erzielt.
Dass das Noll und seinem Helferteam schon seit zwei Jahrzehnten gelingt, macht den 60-Jährigen ein wenig stolz. „Rückblickend ist es schon eine Leistung, dass wir 20 Jahre durchgehalten haben.“ Und er fügt erklärend hinzu: „Ich habe aber eigentlich immer eine gewisse Beständigkeit.“ Er betont, dass die Konzerte ohne seine Helfer jedoch nicht möglich wären: „Das hängt alles von den Leuten ab, die mitmachen.“
In den vergangenen 20 Jahren konnten die Zuhörer im Erbacher Hof so manches Glanzlicht erleben. Besonders in Erinnerung geblieben ist dem gebürtigen Nordenstadter das fünfte Torhauskonzert im Jahre 1994. Der russische Rundfunk- und Fernsehchor aus St. Petersburg trat damals in seinem Hof auf und sorgte für so großen Andrang, dass das Konzert am darauf folgenden Tag wiederholt werden musste.
Obwohl Noll die Doppelbelastung speziell bei einer Größenordnung wie den Torhauskonzerten eigentlich zu viel ist und er sich hier lieber auf die organisatorischen Dinge konzentriert, wirkte er auch bereits aktiv am Programm mit, als Dirigent und am Klavier.
Das besondere an den Konzerten ist jedoch nicht alleine die musikalische Bandbreite. Die außergewöhnliche Atmosphäre in dem jahrhundertealten Anwesen ist für die Zuhörer etwas besonderes. „Die Akustik hier im Hof ist einfach fantastisch, Live-Musik ohne Technik. Das Torhaus sieht dazu aus wie eine Bühne“, beschreibt Noll sein großes Anwesen. Das Torhaus wurde 1849 von Nolls Ururgroßvater errichtet und feiert somit in diesem Jahr sein 160-jähriges Bestehen. Sein Geburtshaus hat für den Musiker eine große Bedeutung: „Schon als Kind hatte der Hof eine ganz besondere Atmosphäre“, erinnert er sich. Der Name „Erbacher Hof“ stammt übrigens aus dem Mittelalter. Damals diente das Anwesen noch als Außenhof von Kloster Eberbachs im Rheingau, mit dem sich der Nordenstadter auch heute noch sehr verbunden fühlt.
Als Noll 1984 das Anwesen von seinen Eltern erbte, machte er sich umgehend daran, das bis zu 400 Jahre alte Gemäuer zu restaurieren. In Eigenarbeit und mit der Hilfe von Freunden gelang es ihm innerhalb von sechs Jahren, das Wohnhaus, die Scheune und das Torhaus wieder herzurichten. „Das Haus ist seit Generationen in Familienbesitz. Ich habe versucht zu retten, was ging.“ Natürlich sei sein Fachwerkhaus nicht wie ein normales Haus: „Da muss man einfach Abstriche machen, zum Beispiel bei der Isolierung der originalen Fenster.“ Doch noch heute stoße er auf Gegenstände von früher, über die er sich sehr freue, gibt Noll zu.
Bei einem Musiker wie ihm liegt es eigentlich auf der Hand, dass er sich auch beruflich der Musik verschrieben hat. Das war aber nicht von Anfang der Fall. Zunächst studierte Noll Physik und Mathematik in Mainz und Hamburg. Doch er litt darunter, dass die Musik dabei zu kurz kam und entschied sich schließlich für ein Musikstudium, unter anderem mit dem Hauptfach Klavier.
Zu seiner Stelle als Kantor in der St. Martinsgemeinde in Kelsterbach kam er durch einen Zufall. Während der Ferien wollte er die Orgel in Kelsterbach besichtigen. Als der ortsansässige Pfarrer den damaligen Studenten auf dem Instrument spielen hörte, bot er ihm sofort die Stelle an – und das, obwohl Noll damals noch keinen Abschluss hatte. Seit 1972 ist er dort nun schon tätig und organisiert hier ebenfalls zahlreiche Konzerte. Auch die Bierstadter haben von seiner Leidenschaft für Orgeln bereits profitieren können – das Instrument in der evangelischen Kirche hat Noll im Alter von 23 Jahren entworfen und geplant.
Für das heutige Konzert wünscht sich der 60-Jährige vor allem eines: gutes Wetter. In den vergangenen 20 Jahren musste das Konzert noch nie ausfallen. Nur einmal war unklar, ob man nicht doch in die benachbarte Kirche in Nordenstadt umziehen müsse. Der Gastgeber erinnert sich: „Da hat es die ganze Zeit vorher geregnet. Eine Stunde vor Konzertbeginn hat der Regen dann zum Glück aufgehört und wir haben schnell alle Plätze trocken gewischt.“
Sina Schreiner